Aller guten Dinge sind drei! Die Herbststrasse beim Take 2017

Herbststrasse

Aller guten Dinge sind drei! Die Herbststrasse beim Take 2017

Die Herbststrasse ist äußerst aktiv in der Verquickung von Kunst und Mode und beim diesjährigen Take Festival sogar mit drei Projekten vertreten: der Performance des Modekollektivs #08/17 des Abschlussjahrgangs, dem Studierenden-Projekt Utopia/Dystopia und einem Projekt des Abendkollegs Schmuck.Design Herbststrasse und der HLA unter der Leitung von Sonja Bischur und Dora Kuthy, zu dem ein eigener Beitrag folgt. Da fragen wir doch mal genauer nach und zwar an höchster Stelle, bei der sympathischen Direktorin dieser quirligen Institution, Gabriele Sulzgruber-Schartl!

Wie kommt es denn zu so einem riesigen Output der Herbststrasse?

Ich glaube, es liegt an mehreren Faktoren. Zum einen sind wir wahnsinnig stolz, das herzeigen zu können, was sich tatsächlich im Laufe einer Ausbildungszeit ermöglichen lässt, zum anderen die ganz klare Spezialisierung unserer Ausbildungen. Uns ist auch immer ganz wichtig, dass wir eine Modeschule, aber auch eine Kunstschule sind. Eigentlich umgekehrt: wir sind eine Kunstschule, aber auch Modeschule! Die Schmuckdesign-Ausbildung ist unser jüngstes Baby, die sehr davon profitiert, renommierte SchmuckkünstlerInnen als Lehrende zu haben. Und dieser Output, der dann sowohl in der Kunst- als auch in der Modeausbildung da ist – auf unterschiedlichsten Ausbildungsniveaus, das muss man auch dazu sagen – das ist schon etwas sehr Spezielles. Der Zeitgeist in einer jungen Kultur wird mit der unglaublichen Erfahrung vieler Kolleginnen und Kollegen gekoppelt, die in unterschiedlichsten Bereichen ihre eigene Selbstständigkeit oder freiberufliche Tätigkeit verfolgen und daraus wahnsinnig viel in die Ausbildung der jungen Leute mit einbringen.

Welchen Ansatz verfolgen Sie als Direktorin? Was ist ihnen persönlich besonders wichtig in der Lehre und Vermittlung?

Dadurch, dass ich selbst sowohl aus der Theorie als auch einem künstlerischen Bereich komme, was meine eigene Ausbildung angeht, gilt es für mich, nie den Kontext beider Bereiche zu verlieren. Es ist sehr schön, das Künstlerische zu forcieren, aber ich muss es immer mit dem Background des theoretischen Wissens, vielleicht auch der Forschung tun. Und darf genauso auch die wirtschaftliche Komponente nicht vernachlässigen. Somit sind auch immer alle unsere Studierenden in Event-Planungen mit eingebunden.

Sie haben eben kurz ihren eigenen Background aus Theorie und Praxis angesprochen, wären Sie so nett, uns da noch ein bisschen mehr Einblick zu geben?

Ich habe ein Textildesign-Studium und ein Philosophie-, Psychologie- und Pädagogik-Studium absolviert und war selbst Lehrende hier im Haus – sowohl in der Mode- als auch in der Kunstabteilung. Die Synergie-Effekte, die sich durch zwei Schulen in einem Haus immer schon geboten haben, stehen im Vordergrund und liefern, glaube ich, häufig ganz tolle Ergebnisse.

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Wenn ich das richtig beobachtet habe, legen Sie auch sehr viel Wert auf Öffentlichkeitsarbeit. Auch wenn man sich vielleicht nicht speziell in der Szene bewegt, bekommt man mit, dass sich an der Herbststrasse sehr viel tut. Ist das auch ein Fokus, den Sie legen und ihren Studierenden mitgeben?

Ja, aber ich glaube, das ist auch schon lange vor meiner Zeit passiert. Viele Kollegen haben ihre persönlichen Schwerpunkte und ich sehe sie als meine ganz wichtigen Berater, da man nicht überall gleich affin sein kann. Ein Kollege ist in Punkto PR sehr aktiv und weiß die entsprechenden Kanäle zu bespielen. Noch ein Punkt, den man verstärkt im letzten Jahr spürt, ist, dass wir beginnen uns wieder ein wenig zu erneuern. Ich bin seit ein bisschen mehr als einem Jahr fix an der Herbststrasse als Direktorin bestellt, und ein großes Ziel ist natürlich – wir würden uns selbst sonst ad absurdum führen – die Mode auch internationaler zu bringen. Verstärkt auch in einen Bereich hinein, der in den tertiären Ausbildungsbereich geht. Das heißt in Kooperation mit Universitäten zu arbeiten, wo Ausbildungsteile schon auf Studien angerechnet werden können. Das gilt sowohl für die Abschlüsse einer fünfjährigen Ausbildung als auch für das Kolleg.

Schon im letzten Jahr waren Studierende der Herbststrasse mit der Kollektion RAW beim Take Festival vertreten und haben damit Fast Fashion und Massenproduktion von Textilien kritisch hinterfragt. Einen ähnlichen Hintergrund hat das Projekt mit dem Titel Utopia/Dystopia – also Zukunftsvisionen optimistischer und pessimistischer Art. Was bedeutet es für Sie und ihre Studierenden, in Zeiten von Fast Fashion und den damit verbundenen und immer lauter werdenden kritischen Stimmen, Mode als Beruf zu wählen und zu lehren? Was setzen Sie dem entgegen, welche Alternativen zeigen Sie auf? 

Es klingt natürlich sehr philosophisch, wenn man sagt „Dystopia“ und „Utopia“ und darüber kann man sich wahrscheinlich lange unterhalten. Eine Dame vom UNESCO Club Vienna, die hier zu Besuch war, meinte, es sei spürbar, dass in den Projekten die Fast Fashion-Bewegung zugunsten eines verantwortungsvollen Handelns im Bereich Mode zurückgenommen wird. Das geht von der Überprüfung und Hinterfragung des ökologischen Fußabdrucks bis hin zu einem „Ich bin aber trotzdem modern!“. Man muss ein Kleidungsstück nicht 20 Jahre lang tragen, sondern modernes, zeitgemäßes Design mit einem verantwortungsvollen, Ressourcen-schonenden Umgang zusammenbringen.

Eine große Aufgabe!

Eine sehr große! Das zieht sich aber auch durch mehrere Bereiche in der Ausbildung. Das ist nicht nur die Sache eines Entwurfsgegenstands oder einer Werkstätte, wo ich mit dem Material umzugehen lerne, sondern es beginnt mit der Planung. Was bedeutet es denn überhaupt, sich nach Materialien umzusehen? Was bedeutet es schon im Design? Welche Möglichkeiten habe ich, um nicht in verschwenderischer Weise mit Unmengen an Laufmetern zu drappieren, um zu meinem Schnitt zu kommen? Sondern: Was kann ich im Vorfeld schon berücksichtigen? Da sind wir jetzt auch beim Thema des Dystopischen, das heißt eines zerstörerischen Umgangs mit Materialüberfluss.

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Utopia/Dystopia: Katharina Ippisch, Teresa Gatterer © Herbststrasse

Was erwartet die Besucher? Wie werden Apokalypse und die Sehnsucht nach einem wie auch immer gearteten Paradies in diesem Projekt visualisiert?

Teilweise mit sehr verstörenden Formen und mit Oberflächen, mit denen man nicht gerechnet hat und in der Bekleidung auch nicht rechnen würde, weil man allein aufgrund der Optik möglicherweise eine ganz andere Vorahnung bezüglich des Sich-Anfühlens hat. Natürlich auch wieder mit sehr experimentellen Formen für den Körper, die aber keiner Konfektionsnorm unterworfen sind.

Heißt das auch genderübergreifend?

Durchaus. Das ist bei uns mittlerweile überhaupt kein Thema mehr. Es gibt sehr Vieles, bei dem man einfach gar nicht mehr hinterfragen muss, ob für Frau oder Mann. Das sollte in unserer Gesellschaft auch kein Thema mehr sein.

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In der Beschreibung des Projekts #08/17 heißt es: Die Designer/innen gestalten imaginäre Räume für ihre Outfits und Models, um den Betrachtern die Aussagen der Kollektionen näherzubringen. Was dürfen wir uns konkret darunter vorstellen?

Eine Abschlusskollektion bei uns im Haus bedeutet, dass jede/r Kolleg-Studierende sich selbst ein spezielles Thema gibt. Und dazu nicht nur seine eigene Geschichte schreibt, sondern Überlegungen anstellt und visuelle Konzepte entwickelt, die dann letztlich in eine Form der Bekleidung gipfeln. Für mich ist das immer ein absoluter Höhepunkt! Eigentlich gibt es da zwei Formen von Höhepunkten. Einmal, wenn ich die Stücke im Haus sehe und ganz glücklich bin, und mir denke „Wahnsinn, was da jetzt in kurzer Zeit entstanden ist!“

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#08/17: Looks von Cara Maria Lerchl, Julia Werner-Meier, Albulena Osmanaj © Michael Kofler

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#08/17: Looks von Moulham Obid, Julian Schock, Hanna Prugger © Michael Kofler, Moulham Obid

Der zweite Höhepunkt ist, wenn das Konzept der Show, die zu 100% in der Eigenverantwortung der Studierenden steht, auf heuer über 50 Kollektionen umgelegt wird. Diese individuellen Themenstellungen unter einen Hut zu bringen, ist für mich schon etwas sehr Spezielles. Denn jedes Thema ist individuell – es gibt kein übergeordnetes Motto. Dafür alleine einen Begriff zu finden, ist schwierig und #08/17, eben herausgerissen sein aus dem Nullachtfünfzehn, ist wieder unglaublich treffend.

Herbststrasse#08/17: Viktoria Helene Niederwieser © Ronja Kappl

Die Kollektionen des Abschlussjahrgangs ermöglichen teilweise sehr persönliche Einblicke in die Herangehensweise und die Auseinandersetzung mit Textil, mit Mode, mit dem Hinterfragen von Konventionen und Moderegeln und bieten mitunter ganz neue Ansätze. Wahrscheinlich würden sie von der Gesellschaft nicht angenommen und man könnte sie nicht in die Konfektion bringen, aber es sind für die Personen, die für das jeweilige Design verantwortlich sind, ganz typische Kollektionen. Man sieht: Ja, das steht für dich.

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Welche Reaktionen wünschen/erhoffen sie sich vom Take Festival-Publikum?

Ich glaube, dass dieses Festival generell sehr viel dazu beiträgt, dass ein neuer Blick auf Design, Mode und Zeitgeist gelegt wird. Und es sollte vor allem zu kritischem Nachdenken anregen. Nicht nur „Es ist schön.“ oder „Es ist nicht schön.“ urteilen, sondern genau dazwischen bleiben. Hinterfragen, auf sich wirken lassen, fast kontemplativ betrachten, ohne ein Urteil zu fällen.

Welchen Life Hack geben Sie ihren Studierenden mit auf den Weg – nicht nur beruflich?

Es gehört fast immer zu meinen Wünschen, die eigentlich ein Ersuchen sind, dass ich den Abschlussjahrgängen sage, sie sollen sich immer selbst treu bleiben. Sie sollen sich nicht verbiegen lassen. Ehrgeiz und Leidenschaft sind immer die Schlagworte und Eigenschaften, die – glaube ich – für ein erfolgreiches späteres Berufsleben im Vordergrund stehen sollten. Erfolg ist nur dann gegeben, wenn man mit sich selbst zufrieden ist. Und das kann auf unterschiedlichste Art und Weise geschehen.

Das ist doch ein sehr schönes Schlusswort! Vielen Dank für das Gespräch!

 

Pssst! Wir haben uns auch noch ins Atelier der Herbststrasse geschlichen und den fleißigen Fashion-Bienchen der Abschlussklasse über die kreativen Schneiderschultern geschaut:

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Wenn nicht anders benannt: alle Fotos © Richi Wagner

Stephanie Rugel
strug@gmx.de