Alles rund um Textilien mit Lisa Niedermayr

Lisa Niedermayr

Alles rund um Textilien mit Lisa Niedermayr

Lisa Niedermayr, Textilkünstlerin und Lehrbeauftragte an der Akademie der Bildenden Künste übernimmt die künstlerische Leitung des Projektes “But baby I was born to run“, das im Rahmen des Take Festival Parcours ausgestellt wird. Fünf Künstler hat sie eingeladen, um in einem einheitlichen Konzept Mode und Kleidung kritisch zu thematisieren.

Könntest du ein paar Worte über dich erzählen? Womit beschäftigst du dich an der Bildenden?

An der Bildenden unterrichte ich im Institut für das künstlerische Lehramt, Moden und Styles und am Institut für bildende Kunst, wobei meine Expertise im Bereich der textilen Materialien und deren Möglichkeiten liegt. Das Material selbst ist einfach ein unerschöpfliches Recherche- und Forschungsfeld.  Ich vermittle Wissen über textile Materialien und wie Künstler und Designer mit Textilien arbeiten können, beziehungsweise welches Backgroundwissen benötigt wird, um mit diesem Material bestmöglich arbeiten zu können.  Abgesehen davon habe ich meine eigene künstlerische Produktion mit dem schwerpunkt Textil, das Material ist einfach so faszinierend und unerschöflich.

Für mich liegen Textilien auf der selben Bedeutungsebene wie Lebensmittel und Kosmetik.

Was bringt dich zu dieser Aussage?
Das sind einfach alles Materialbereiche, die unmittelbar und direkt mit jedem Individuum in Berührung kommen und uns gestalten. Lebensmittel brauchen wir zum überleben, „man ist was man isst“,  auch mit Kosmetik pflegen und gestalten wir uns und das nächste Material, mit dem wir täglich direkt in Verbindung kommen, sind Textilien.

Diese Beziehungsebenen sind genau das Spannende. Die Frage ist, was wissen wir über all diese Materialien die uns so nahe stehen?

Ich verstehe somit, dass du in deiner Herangehensweise zum Thema sowohl einen wissenschaftlichen als auch einen künstlerischen Drang verknüpfst.

Ja! Für mich ist beides unabdingbar. Beides ist absolut notwendig und hängt voneinander ab. Das eine ohne das andere würde gar nicht gehn.

Dieses ständige Lernen und Durchdenken und Forschen hängt immer mit dem Tun zusammen. Durch das Tun, diesen vielen textilen Techniken und Formen und auch durch klassisches, historisches Wissen über die Verarbeitung und Anwendung der Materialien kommt man zu den spannensten Fragen und neuen Möglichkeiten.

Es geht bei dir eben nicht nur um Kleidung, sondern darum was man alles mit den textilen Materialien machen kann.

Absolut. Kleidung ist nur ein eher kleiner Teilbereich. Der weitaus grösste Part des textilen Universums ist der Bereich der technischen Textilien.

Könntest du ein Paar Worte zum Projekt für den TAKE Parcours sagen?

Ja, klar. Die ganze Gestaltung des Projektes ist sehr humorvoll und ironisch gedacht. Die Ausstellung spielt mit gesellschaftlichen Klischees mittels einem sehr freien künstlerischen Zugang zu Mode.
Die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler kommen nicht unbedingt aus der Branche, sind nicht explizit Modedesigner, sondern kommen aus Bereichen wie Medien, Architektur, Malerei, usw. also aus scheinbar völlig anderen Gebieten und bringen somit ihren persönlichen, ganz individuellen Zugang zu Kleidung in den Vordergrund.

Humor ist in diesem Projekt sehr wichtig, vor allem der Wunsch nach Selbstironie. Das kontrastiert mit der Professionalität der Fashion Industrie. Was ist deine Meinung zur Beziehung von Kunst und Mode?

Die Bereiche kann ich eigentlich nicht trennen. Für mich gehen Kunst und Mode wie Zahnräder ineinander. Ich denke, dass niemand der Modedesign als Hauptberuf macht ohne künstlerischen Zugang tatsächlich gute Designs schaffen kann. Als Modedesigner braucht man noch dieses zusätzliche Know How wie man Textilien am Körper gestalten kann und auch noch das Handwerkliche mit viel, viel Erfahrung.

Im Grunde müsste man sagen, dass heutzutage diese konventionellen Rahmen sowieso gesprengt sind.
Das sind sie absolut. Und ich finde das grossartig!

Gibt es Trends die du bemerken kannst?

Wenn du mich nach Trends fragst, dann ist es für mich definitiv die Sehnsucht nach Handwerk, nach Techniken, nach wissen wollen wie etwas geht und ein sehr starkes kritisches Hinterfragen aller strukturellen Rahmenbedingungen der Textilindustrie. Produkte werden hinterfragt, es wird gefragt, was das alles ist und woher es stammt, wer dahinter steht und wer, wie, wo produziert. Was ist das eigentlich, was ich einkaufe auf der chemischen Ebene, und welchen Einfluss kann das auf mich und andere haben.

Das bringt uns eigentlich zum Thema faire Produktionsverhältnisse in der Textilbranche.

Ja, aber nicht nur das. Nicht nur die Arbeitsaspekte, sondern auch die Produktion der Materialien an sich. Wie findet Textilproduktion statt, was hat das für Auswirkungen auf die Landschaft, auf die damit beschäftigten Menschen? Eigentlich geht es um Fairness entlang der gesamten Textil-Kette, entlang aller Produktionsstufen die, wie bekannt in der Mode, oft undurchsichtig sind.

Siehst du eine Bewegung Richtung “fair trade” im Bereich Textilien?

Ja. Das ist ein absolut wachsender Sektor, der auch wiederum sehr viele neue Möglichkeiten schafft.

Das ist wohl super! Umsomehr hier in Wien, mit der lokalen und spannenden Geschichte der Wiener Textilindustrie und der [Sozial]gerechtigkeit.  Wenn man sieht, dass zum Beginn des vorigen Jahrhunderts doch die Textilherstellung der Bereich, war aus dem nach gezieltem Widerstand viele soziale Besserungen hervorgegangen sind.

Ja das stimmt. Der soziale und historische Aspekt des Materials und dessen Verarbeitung ist absolut wichtig und interessant. Textilen sind nach wie vor gesellschaftliches Ausdrucksmittel und Träger von Macht und Emotionen. In dem Zusammenhang ist auch das Thema „öffentliche Textilien“ spannend.

Was inspiriert dich in der Arbeit mit Textilien?

Ich denke, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher [lacht], es ist schon das Material an sich, das eine unglaubliche Faszination auf mich hat. Die Haptik, das Angreifen und eben diese besondere Mannigfaltigkeit der Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten. Es gibt ja kaum einen Lebensbereich, in dem nicht texile Materialien oder Techniken ein Rolle spielen. Umso mehr man forscht, umso mehr stellt man immer wieder fest, wie unglaublich genial das alles ist. Zum Beispiel die Fasern selbst, wenn man sieht was Materalien der Natur alles können, welche Eigenschaften sie haben. Man made Fasern zu schaffen, so wie die Natur das kann, ist nach wie vor eine gewaltige Herausforderung und selten erreicht.

Also sehr wohl neue Anwendungsbereiche?

Neue Anwendungsbereiche, aber auch neue Materialmöglichkeiten und Kombinationen.

Was gehst du als nächstes an?

Ich arbeite an einem Projekt rund um Leder, das die oft nicht menschen-, tier- und umweltverträglichen Produktionsverhältnisse, die mit diesem Material in Verbindung stehen, thematisiert. Nebenbei arbeite ich auch an einem Buchprojekt, in dem die soziale Geschichte eines bestimmten textilen Materials aufgearbeitet wird.

 

Felix Abrudan
felix.abrudan@yahoo.com

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