Moritz Gottschalk und die Unvernunft des Lebens

Moritz Gottschalk

Moritz Gottschalk und die Unvernunft des Lebens

“Ich würde mir wünschen, dass unsere Gesellschaft wieder mehr Lust an der Unvernunft und Spaß am Spielen hat!”

Der junge Modedesigner und Textilkünstler aus Deutschland wohnt seit knapp 10 Jahren in Wien und stellt uns am Take-Festival seine Deckenkonstellation mit dem Titel „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte!“ vor.

Wir haben Moritz bei ihm zuhause besucht und erhielten einen tieferen Einblick in das bunte Leben des Künstlers.

Bereits beim Betreten seiner Altbauwohnung fallen sofort die antiken Möbelstücke, darunter ein azurblaues Sofa im Rokokostil mit weiß-gold verkleidetem Rahmen, ins Auge. An der Wand hängen seine vielen Collagen, an denen er sich für seine neuen Kreationen Inspiration holt. Hinter einem großen bedruckten Vorhang versteckt sich sein Arbeitsplatz – Ein Tisch, eine Nähmaschine, ein Bügeleisen und unzählige Stoffe und Kleidungsstücke.

 

Danke, dass du uns so freundlich bei dir zuhause empfängst! Erzähl ein bisschen über dich.

Moritz: Ich bin Modedesigner und Textilkünstler und lebe seit 2006 in Wien. Mit 15 Jahren bin ich alleine von Deutschland nach Wien gezogen um hier die Modeschule Hetzendorf zu besuchen, wo ich auch meine Matura gemacht habe. Meinen Bachelor habe ich an der Kunstuniversität in Linz bei Ute Ploier gemacht und bin danach wieder zurück nach Wien gegangen, um hier an der Akademie der bildenden Künste kontextuelle Malerei zu studieren.

 

Wie kam es vom Modedesign zur Textilkunst?

Moritz: Ich stellte mir die Frage, wie man Mode auf Modeschauen, vor allem aus der performativen Perspektive, auch anders darstellen kann und was nach dem Prozess der Modeentwicklung mit der Kollektion passiert, quasi nachdem sie über den Laufsteg gegangen ist. Was kann man mit der Kollektion danach noch machen.

Deshalb habe ich mich bei der Akademie der bildenden Künste in der Klasse von Hans Scheirl beworben, um dort Antworten auf diese Fragen zu finden.

Die Klasse von Hans Scheirl beschäftigt sich auch sehr mit dem querren Aspekten der Gesellschaft und deren Inhalten sowie mit der Verkleidungs- und Textilkunst, was mich auch sehr interessiert. Ich arbeite wie zuvor immer noch viel mit Textilien – das ist meine Leidenschaft.

Aber es geht sehr viel in die performative Richtung und wie ich mit Performancekunst den Inhalt der Kunst darstellen kann, der irgendwie in der Mode immer auf der Strecke bleibt, weil er unwichtig ist, weil es um Schönheit geht und in der Mode geht es eben immer um das Äußerliche und nicht was innendrinnen bzw. was dahinter steht – was nichts schlimmes ist! Ich liebe Schönheit – ich liebe schöne Dinge, aber es ist für mich nicht genug!!!

      

Der Titel deiner Konstellation lautet „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte“ Was kann man dann also von dir beim Take-Festival erwarten?

Moritz: Beim Take-Festival werde ich eine rosarote Deckeninstallation/Deckenkollektion/ Interior Design – Vorschlag präsentieren.

Es ist ein ironisches Zitat von einem Kinderzimmer – also die Welt die sich ein Kind schafft wenn es alleine ist und in der es eigenmächtig über seine Welt bestimmen kann.

Es ist ein Wegstoßen der Vernunft. Weil ich finde, dass wir heutzutage viel zu vernünftig sind und vergessen haben, was es heißt ein Kind zu sein – was es heißt zu spielen.

In dieser rosa Decken/Wolken Konstellation werde ich performen. Ich möchte die Decken und Möbel, die ich gemacht habe, vielschichtiger Benennen. Es ist nicht nur eine Decke oder ein Möbelstück, es kann auch ein Trost sein – man kann sich von der Decke trösten lassen. Der Schutz, das Verkleiden und die Unvernunft – das kindliche Spiel und das Zitieren. Das Zitieren ist sehr wichtig – das Vermischen von dem Zitierten und Angelernten, um eine unlogische Logik aber auch sich selbst zu finden.

         

Das klingt wirklich sehr interessant. Woher nimmst du deine Inspiration?

Moritz: Die meiste Inspiration schöpfe ich aus mir selbst!

Ich bin sehr neugierig und sage nie nein. Aus dieser Neugierde heraus betrachte ich die Dinge sehr oberflächlich. Aber genau das gefällt mir, an der Oberfläche zu kratzen und meine eigene Theorie zu spinnen. Alles was mich anspringt und alles was den Filter durchdringt und in meinen Kopf landet, das wird zusammen gewürfelt und wieder herausgeholt und dann zusammen kollergiert.

So arbeite ich auch – ich arbeite meistens mit dem Stilmittel der Collage. Es geht sehr viel darum viele Schichten übereinander zu legen, sehr viele Muster, viele Farben zu verwenden oder einfach sich von der Idee der Collage inspirieren zu lassen, das find ich einfach spannend!

 

Seit wann designst du schon?

Moritz: Ich würde sagen, dass ich schon immer ein Faible für Kleidung, das Verkleiden und für Textilien hatte. Schon seit dem ich mit 3 Jahren am Schoß von meiner Mutter gesessen bin und sie an der Nähmaschine gearbeitet hat. Meine Mutter hat mir das Nähen beigebracht, aber auch meine Großeltern – meine Oma mütterlicher Seite war Damenschneiderin und mein Opa väterlicher Seite war Herrenschneider. Da hab ich schon früh mitbekommen, dass man Kleidung selber machen kann.

Also hast du dein Talent von deiner Familie geerbt! Haben sie deinen Wunsch Modedesigner bzw. Textilkünstler zu werden unterstützt?

Moritz: Meine Eltern haben mir schon immer die Möglichkeit gegeben, mich auszuprobieren und auszutoben und zu machen was ich möchte. Ich finde das auch absolut nicht selbstverständlich und bin ihnen dafür sehr dankbar. Meine Mutter hat mich kreativ gefördert und mein Vater eher finanziell. Jeder macht das, was er am Besten kann.

   

Was würdest du sagen, designst du lieber Kleider oder Möbelstücke?

M: Am liebsten entwerfe ich Sachen für mich selber zum Anziehen!

Also ziehst du deine Kleider auch selber an?

M: Ja sehr viel. Sehr viel was ich trage, trage ich dann auf Parties und auf Bällen – aber der Anspruch an Kleidung ist ja, dass es nicht unbedingt tragbar sein muss. Wenn die Gesellschaft tragbare Kleidung anzieht, dann sagt das sehr viel über die Gesellschaft aus, dass sie sehr vernünftig ist zum Beispiel.  Wenn ich jetzt an die Rokoko Zeit denke – natürlich waren das privilegierte adelige Menschen – damals war das ein Zeichen des Adels und Reichtums, dass die Kleidung nicht tragbar war und dass man sich in ihr nicht bewegen und vor allem nicht arbeiten konnte.

 

Wie denkst über die Genderrolle in der Mode?

Moritz: Ich finde, wenn man die Geschichte der Mode anschaut, hat es immer Höhen und Tiefen gegeben. Es gab Zeiten in der sich Mann und Frau sehr angenähert haben und Zeiten in der sie sich auseinander gelebt haben.

Man kann das ganz gut im Barock oder im Rokoko sehen. Da gab es eine Annäherung von Mann und Frau, weil sie hier auch die gleichen Aufgaben hatten. Die adeligen Menschen waren der Mittelpunkt der Gesellschaft, die nicht arbeiten mussten  – weder Mann noch Frau. Das heißt, sie hatten beide die gleichen Bedürfnisse – das war die Repräsentation. Sie hatten die Möglichkeit zu Spielen und ihren Gelüsten zu frönen. Dann in der Biedermeierzeit bekamen die Männer ihre Hosen angezogen, weil das Bürgertum aufstrebte und die Mode praktisch sein musste. Was vorher der Mann gemacht hat, also das Repräsentieren, das macht die Frau und bekommt die extremen Rüschenpackungen aufgeladen.

Im 20. Jahrhundert hat es sich, meiner Meinung, sehr oft geändert. Zum Beispiel in den 80iger Jahren war die Annährung an die männliche Silhouette sehr spürbar und jetzt ist es wieder ein Auseinanderdriften, ein Separieren von Mann und Frau, die sich aber gerne trennen – also optisch.

   

Wie würdest du deinen persönlichen Kleidungsstil beschreiben?

Moritz: Mein persönlicher Kleidungsstil existiert nicht. Ich spiele sehr gerne und erschaffe um die Kleidung herum Charaktere. Mal bin ich gerne eine Prinzessin, mal bin ich gern ein Dandy …. das lote ich aus, wenn es darum geht Geschlechterrollen zu hinterfragen. Ich verkleide mich einfach sehr gerne und da kann es schon passieren, dass ich beim zweiten Treffen nicht erkannt werde. Es kommt immer auf meine Verfassung und worauf ich gerade Lust habe an.

 

Was würdest du sagen, ist dein Lebensmotto?

Moritz: „Work hard – play hard“ – das ist mein Motto im Leben. Man darf viel spielen, aber man muss auch viel arbeiten. Auch die Lust an der Arbeit und die Lust an der Freizeit darf nicht vergessen werden. Am Besten wäre es, wenn man beides kombinieren könnte.

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Fotos: (c) Christa Knott

Linda Weidinger
lindawe3@gmail.com

Online-journalist. Studied Media and Communication Science and Cultural Anthropology in Vienna. Loves fashion, new trends and extraordinary people :)