Wahrnehmungswechsel mit Bernhard Musil und Indigo Punk

Bernhard Musil

Wahrnehmungswechsel mit Bernhard Musil und Indigo Punk

“Ein unvermeidlicher Wechsel der Wahrnehmung entsteht beim Anblick von Kippbildern.” Bernhard Musil will mit Royal Chaos einen intimen Dialog zwischen Bild und Betrachter auslösen. Ein Foto soll zum Film werden und individuelle Geschichten dabei entstehen lassen. Indigo Punk wird hingegen ein Experiment durchführen, welches eine eigene Dynamik entwickeln soll. Mit performativem Element steht dem Betrachter die Interpretation frei. Beide Projekte sollen etwas auslösen – einen Wahrnehmungswechsel erlauben und sogar fördern. Welche neue Erkenntnis werden Besucher davon tragen können?

 

Bernhard Musil

© Bernhard Musil

Bernard Musil im Interview

Was/wer hat dich zu deinem Parcours Projekt inspiriert? Was soll es in uns auslösen?

Die Inspiration für Royal Chaos war der Gedanke etwas zu kreieren, das losgelöst war von meinem üblichen Arbeitsprozess. Im Fokus meiner Arbeit stand meist die inszenierte Mode- und Beautyfotografie. Ich wollte mit Bildmaterial arbeiten, das aus mehreren Genres schöpft und persönliche Interessensgebiete widerspiegelt. Es sollten Bilder entstehen, die keinen Moment einfrieren, sondern die lebendig sind und etwas erzählen können – ein Film als Foto sozusagen. Royal Chaos soll Neugierde auslösen und Gespräche generieren. Bestenfalls entsteht ein intimer Dialog zwischen Betrachter und Bild.

Royal Chaos is sehr “gesprächig” – was würden die Bilder sagen, wenn sie keine visuelle Existenz fristen müssten, stattdessen jedoch in Worte gefasst werden könnten?

Also zuerst hoffe ich, dass meine Bilder froh darüber sind, materiell zu existieren. Sie sollen ihr Dasein genießen und es nicht fristen. Die Bilder sollen assoziative Gedanken-Prozesse zu diversen Themen symbolisieren, deren Komplexität mit Worten nie erfasst werden kann. Alle Bilder der Reihe hatten Arbeitstitel, die ich dann bewusst weg gelassen habe, weil ich will, dass die Bilder jedem Betrachter ihre individuelle Geschichte erzählen.

Welche drei Aspekte machen ein Foto phänomenal – nicht einfach nur gut – sondern fantastisch? Und wer ist dein Idol?

Wenn ich dir die Formel hier aufschreiben könnte, wäre ich ein reicher Mann.

Ein Foto ist dann fantastisch wenn es eine Beziehung mit dem Betrachter aufbaut. Sei es ein Pressefoto, das im richtigen Moment geschossen wurde und ein wichtiges Zeitzeugnis wird; ein akribisches vorbereitetes Couture-Editorial-Foto, das noch Jahrzehnte später als Referenz zitiert wird oder “nur” ein privater Snapshot.

Ich persönlich finde ein Foto gewinnt dann an Wert, wenn es gedruckt wird, technisch gut gemacht ist – was auch die Auflösung betrifft – und durchdacht erscheint. Prinzipiell gilt aber, dass wenn ein bekannter Name mit einem Foto verbunden ist, der Wert in den Augen der Öffentlichkeit meist steigt und es als ein “fantastisches Bild” wahrgenommen wird. Dann wären die drei Aspekte: bekanntes Model bzw. Celebrity, bekannter Fotograf, gezielte PR-Maßnahmen.

Meine Idole sind u. a.: Irving Penn, Guy Bourdin, Jean-Baptiste Mondino, Egon Schiele, El Greco und Hieronymus Bosch.

Was war dein kontroversestes Projekt bis jetzt und warum hat es die Gemüter zum Rauchen gebracht?

Bei meinen kontroversesten Projekten weiß nur ein eingeweihter Kreis, dass sie von mir sind. Ansonsten bin ich gerne sehr subtil.

Ich sehe, du bist nun in Berlin zuhause – was kann dir diese Stadt bieten, was Wien einfach nie konnte?

Als ich Wien 2005 verlassen habe, war mein Motto: “Leaving Disneyworld”. Ich brauchte damals eine größere, rohere, dreckigere und härtere Stadt, vor allem aber eine Metropole, die nicht fertig war – mit der ich mitwachsen konnte. Mittlerweile lebe ich nicht mehr in der selben Stadt, in die ich damals gezogen bin. Aber ich habe das Gefühl, wir sind zusammen erwachsener geworden – nicht ruhiger, aber erwachsener.

Wien ist eine großartige, wunderschöne, von spannenden Widersprüchen geprägte Stadt, manchmal dekadent und manchmal ur-grindig, morbid wie lebenslustig, grantig aber doch herzlich. Es gibt Vieles, was ich im preußischen Norden vermisse, aber ich wollte nie mein ganzes Leben an einem Ort verbringen. Berlin war eine neue Herausforderung und sollte eine weitere Station werden. Mittlerweile ist es eine zweite Heimat geworden und auch wenn es mich oft wegzieht, will mich die Stadt nicht ganz los lassen.

Drei Dinge, die du an Klagenfurt, deinem Heimatort, vermisst.

Meine Familie, den See und Kärntner Kasnudeln.

 

Bernhard Musil

© Indigo Punk

Indigo Punk im Interview

Indigo Punk – wie ist der Name entstanden?

Karin: Ich liebe Indigoblau und finde, eine gewisse Punk-Attitude kann nie schaden. Das hat beides eine gute Energie und einen guten Rhythmus.

Wie/wo habt ihr euch kennengelernt und wie kam es zu dem Entschluss, ein gemeinsames Projekt zu konzipieren?

Mercedes Andrea: Karin und ich haben uns über Susi Rogenhofer kennengelernt, als ich für ein anderes Projekt eine nähkundige Person gesucht habe. Wir haben uns sofort gut verstanden. Eines Tages hat Karin mir von ihrem Projekt Indigo Punk und der Tonto-Crew erzählt… das Ganze hat schnell eine eigene Dynamik entwickelt. Unsere Zusammenarbeit hat etwas leichtes und wir ergänzen uns sehr gut.

Karin: So ist es. Die Tonto-Comics Crew also Helmut Kaplan und Edda Strobl kenne ich schon sehr sehr lange – aus Teenagertagen in Graz. Voriges Jahr hat mich Edda eingeladen, die Kostüme für ein Performance Projekt im Kunsthaus Graz zu gestalten und da ist dann der Kontakt zu den großartigen samaheydi sisters Christina Lederhaas und Veza Fernandez entstanden, die unserem kleinen Experiment am TAKE ein performatives Element hinzufügen werden.

Ein Vexierbild ist laut Wörterbuch der Brüder Grimm ein “Bild mit einem in der Zeichnung verborgenen Betrug, Scherz.” Wird es einen Scherz/Betrug in eurem begehbaren Bild geben und was soll es uns mitteilen oder aufzeigen?

Karin: Für unser Projekt passt wohl am besten die Wikipedia-Definition des Vexierbildes als “ein scheinbar korrekt konstruiertes Bild, dessen Objekt sich als unmöglich entpuppt”. Was mir in dem Zusammenhang mit unserem Setting beim Take auch noch sehr gut gefällt, ist das Prinzip der multistabilen Wahrnehmung, wo es um den “unvorhersagbaren und willentlich nicht vermeidbaren Wechsel der Wahrnehmung” geht, der beim Anblick von Kippbildern auftritt.

Das alles hat viel mit unserer Präsentation beim Take zu tun und noch mehr mit dem großartigen handgezeichneten Muster, das uns der Comic-Artist Helmut Kaplan von tonto comics für unsere Stoffkollektion zur Verfügung gestellt hat. Und auch bei der Performance der samaheydi sisters am Samstag den 29.4. wird es womöglich zu nicht vermeidbaren Wahrnehmungswechseln kommen. Lassen wir uns überraschen

Welche Bedeutung hat eine “Arbeitsuniform” – haben wir diese noch nötig oder benötigen wir sie heutzutage nicht mehr? Wird diese Art der Uniform eine große Rolle in eurer Installation spielen?

Karin: Uns interessiert im Zusammenhang mit Arbeitskleidung vor allem der Aspekt der Funktionalität. Es geht um Bewegungsfreiheit, Robustheit und Schutzfunktion von Arbeitskleidung. Das war der gestalterische Ausgangspunkt, sowohl was die Farb- wie auch die Stoffwahl und die Schnittführung der vorgestellten Kleidungsstücke betrifft. Mein Zugang zu Uniformität ist in dem Projekt der über den Humor und die Übertreibung. Wir performen eine Firma. Das hat vielleicht auch eine etwas einfältige Note. Aber es wird auch psychedelisch – im Rahmen unserer Möglichkeiten halt.

Mercedes Andrea: Mit einer Arbeitsuniform bist du automatisch im Dienst. Es ist klar: Die ist hier nicht zum Vergnügen. Selbst wenn man nur herumsitzt und Kaffee trinkt. Arbeitskleidung vermittelt Beschäftigung, das betraut sein mit einer Aufgabe. Mir gefallen die verschiedenen, einander widersprechenden Bedeutungsebenen unserer Arbeitskleidung/der Uniform. Wir bilden für die BetrachterIn eine Einheit und Verschiedenheiten und Hierarchien werden scheinbar aufgehoben.

Was ist die Kernaussage dieses Experiments? Welche Glühlampe soll uns beim Besuch dessen aufgehen?

Karin: Wenn wir das jetzt schon wüssten, wäre es kein Experiment.

Mercedes Andrea: Wir schauen einfach mal, was passiert bzw. ob überhaupt was passiert.

Etwas, ohne das ihr nicht leben könnt?

Karin: Sauerstoff und Freude.

Mercedes Andrea: D’accord. Und den morgendlichen Kaffee.

Corinna Stabrawa
corinna.stabrawa@hotmail.com

I am a fashion-lover and traveler at heart. Exploring the world, promoting emerging talent and showing you products that I use to beautify myself is what I enjoy sharing.