Combinege: Aus Differenz wird Harmonie

Combinege © Josefin Marie Christin Sternbauer

Combinege: Aus Differenz wird Harmonie

Amelie Goetzl und Moritz Gottschalk, eine Künstlerin und ein Modedesigner, haben sich zusammengefunden und gemeinsam Combinege gegründet. Bei der departure Fashion Night 2019 wird ihre Kollektion vor großem Publikum präsentiert.

Im Interview erzählen Amelie und Moritz, wie sie sich gefunden haben, wie ihre oft schrillen Farbkombinationen unsere Sehgewohnheiten beeinflussen und warum Raumschiffe und Futuristisches nur ein Nebenprodukt ihrer diesjährigen Kreationen ist.

Corinna: Combinege steht für Kunst und Mode – gab es am Anfang eurer Zusammenarbeit unterschiedliche Ansätze zum Kleidungsdesign und eine Art Trennung zwischen den beiden Themengebieten?

Combinege: Eigentlich hatten wir während unseres gemeinsamen Modestudiums immer sehr unterschiedliche ästhetische Ansätze, was bestimmt mit unseren unterschiedlichen Hintergründen zu tun hat. Ich (Amelie) bin eigentlich durch die Kunst zur Mode gekommen, bei Moritz war es genau umgekehrt. So habe ich meine Kindheit mit Bleistift und Papier verbracht und stundenlang meinen Vater beim Malen und Zeichnen beobachtet, Moritz hingegen saß schon mit zwei Jahren am Schoß seiner Mutter beim Nähen und kreierte schon als kleines Kind Kleidung für seine Puppen und bald auch für sich selbst.

Letzten Endes sind wir aber nach unserem Modestudium auch beide auf der Akademie der bildenden Künste gelandet, wo wir nun gemeinsam in der Grafikklasse studieren, unsere Wege haben sich also immer wieder, gewollt oder ungewollt, gekreuzt.  

Wir schätzen unsere unterschiedlichen Ansätze und Arbeitsweisen gegenseitig sehr und wissen genau über die Stärken des jeweils anderen Bescheid. Dieses Vertrauen führt dazu, dass wir, auch wenn wir manchmal unterschiedliche Vorstellungen haben, immer eine gemeinsame Linie finden und wir haben im Laufe unserer jahrelangen Freundschaft erkannt, dass wir uns sehr gut ergänzen. Außerdem bringen uns unsere Differenzen immer wieder auf neue Wege und ich denke, wir schaffen es gut, aus etwas vielleicht am ersten Blick unharmonisch erscheinenden, etwas Harmonisches zu erschaffen. 

Darüber waren wir eigentlich selbst überrascht, wie gut das Miteinander-Arbeiten funktioniert, denn eigentlich war anfangs nur ein kleines einmaliges gemeinsames Projekt geplant, daraus wurde letztendlich unser Label Combinege. 

C: Die Farbkombinationen könnte man als etwas schrill für die Wiener Modeszene beschreiben, wieso so farbenfroh? Was erwecken Farben in euch?

Co: In erster Linie beginnt das Farbkonzept jeder Kollektion mit meinen Malereien und Grafiken. Wir suchen sie gemeinsam aus und entwickeln daraus die Prints für die Stoffe, ergänzen diese dann mit Stoffen, die farblich dazupassen, oder eben manchmal auch am ersten Blick gar nicht passen. Außerdem gibt es einige Farben, die typisch sind für Arbeitsbekleidung und die wir somit immer wieder miteinfließen lassen. 

Natürlich sind die Farbkombinationen abweichend von der allgemeinen Sehgewohnheit, aber man trägt ja dann auch nicht nur Combinege, sondern kann die Teile ja auch gut kombinieren und es kommt eigentlich auch in Wien gut an. Unsere Kollektion gibt es jetzt im neuen BACHT – Shop und das Feedback ist wirklich gut. Viele Menschen lieben einfach die Farbkombinationen. Das ist eben etwas, was uns in der Wiener Modeszene sehr fehlte, alles ist immer in gedeckten Farben gehalten und schwarz ist sehr dominant, vielleicht liegt das an der Wiener Lebenseinstellung. Schwarz ist ja immerhin die Farbe der Trauer und wir wissen nur zu gut, dass es viele Gründe gibt, um traurig zu sein, aber ein bisschen Farbe im Leben tut wohl jedem gut. Man muss das Leben ja etwas mit Humor nehmen können, sonst zerbricht man ohnehin daran. 

C: Was fasziniert euch an Arbeitsbekleidung besonders?

Co: Also was uns grundsätzlich an der Ästhetik der Arbeitsbekleidung gefällt, ist die geradlinige Schnittführung und die Farben spielen eine wichtige Rolle. Sie setzen in der Berufskleidung klare Zeichen, was der Träger arbeitet, Signalfarben und Warnfarben kommen ins Spiel. Wir fanden es spannend, dies in den Modekontext zu übersetzen und uns an dem Bruch zwischen Funktion und Ästhetik abzuarbeiten. Arbeitsbekleidung mit typischen Instrumenten der Mode zu kombinieren, wie zum Beispiel in der neuen Kollektion, mit Rüschen, mag absurd klingen, führt aber zu einer spannenden und trotzdem noch stimmigen Ästhetik. Die Form folgt zwar der Funktion, aber bekommt eben schmückende Elemente zugefügt. 

Combinege © Josefin Marie Christin Sternbauer

Combinege © Josefin-Marie-Christin Sternbauer

C: Feminismus ist ein heiß diskutiertes Thema in unserer Zeit. Arbeitsbekleidung findet eher in einer Männerdomäne Platz. Würde eine Feministin Combinege tragen wollen? Warum?

Co: Die Welt ist leider sowieso männerdominiert, vor allem die Mode- und Kunstwelt. Uns kommt sogar vor, dass der Feminismus hier noch am wenigsten Früchte getragen hat, weil diese Welt nicht nach irgendwelchen Regeln und Quoten funktioniert, was sehr traurig ist. 

Aber es gibt sehr viel unterschiedliche Arten von Feminismus, deswegen ist der Begriff der typischen Feministin unserer Meinung nach etwas veraltet. Doch natürlich braucht es für die meisten Teile unserer Kollektionen ein gewisses Maß an Selbstvertrauen und Mut und sie sind nicht aus dem Versuch geboren, so gut wie möglich die Attraktivität der Frau zu untermalen.

Das gilt aber genauso umgekehrt, wir entwerfen auch Mode für Männer und die verlangen ein gewaltiges Maß an Selbstvertrauen. Männer sind beim Thema Kleidung ja noch viel mehr den gängigen Rollenbildern unterworfen und haben viel weniger Freiheiten bei ihrer Kleiderwahl als Frauen. 

C: Wie steht ihr zu den Geschlechterrollen? Ist es überhaupt noch relevant, darüber zu diskutieren?

Co: In einer Gesellschaft, die sich emanzipatorisch rückwärts bewegt, ist es immer wichtig, solche Sachen zu diskutieren weil Kleidung gesellschaftliche Rollenbilder auf dem Körper manifestiert und sichtbar macht und somit die Mode aber auch das Potenzial hat, aufzuzeigen wie festgefahren unsere Vorstellungen von Geschlechterrollen sind, damit zu spielen und sie zu brechen. 

Es ist wirklich schockierend, wie vielen Zwängen wir unterliegen, was dies betrifft, vor allem eben, wie schon vorher erwähnt, was Männermode anbelangt. Dass sich ein Mann anscheinend immer noch Gedanken machen muss, ob er vielleicht homosexuell wirken könnte, wenn er rosa trägt oder einfach etwas ein klein wenig abweichendes vom Normalverbraucher oder dass eine Mutter ihrem Sohn kein rosa Shirt oder gar ein Kleid anziehen würde. 

Kleidung reflektiert eben unsere Kultur und wir sind die Gestalter dieser Kultur. Jeden Tag, wenn wir aufstehen und uns entscheiden was wir anziehen, setzen wir ein Statement damit und formen damit eine Aussage, die jeder sehen kann.  

C: Eure Kollektionsfotos wirken sehr futuristisch – wo führt die Zukunft der Mode uns hin? Und wo seht ihr euch mit eurem Label?

Co: Futurismus ist ein Begriff, den wir mit 60er-Jahre Raumschifffilmen verbinden, was natürlich nicht unsere Intention war.  Aber wir haben einige Schnitte aus dieser Zeit verwendet und natürlich führen die Leuchtstreifen der Arbeitsbekleidung ein wenig zu dieser Ästhetik. Wir betrachten uns selbst nicht als die großen Visionäre der Zukunft. Ich denke, die liegt eher in der Herstellung alternativer Textilien, in 3D-Prints usw. 

Was wir aber denken über die Entwicklung der Mode, ist, dass die Schere noch weiter aufgehen wird zwischen sehr billiger Wegwerfmode und sehr teurer, kaum leistbarer Mode. Was man aber glücklicherweise beobachten kann, ist dass es sehr wohl bei vielen schon etwas mehr Bewusstsein über ihr Kaufverhalten gibt und auch wieder mehr Wertschätzung dem Handwerk an sich gegenüber. 

Wir haben uns bislang nie so Gedanken gemacht, wo wir uns sehen, sondern einfach das gemacht, was uns Spaß macht und wir für richtig halten, aber wir merken schon, dass uns das gewisse Probleme bereitet. Wir sind doch eher Künstler und gewissermaßen stur. Ein Künstler malt ja nicht was er verkauft, sondern verkauft, was er malt. Ansonsten ist er einfach nur ein Maler. Genauso ist es mit unserer Mode auch. Ob das nun funktionieren wird, wird sich weisen…

Corinna Stabrawa
corinna.stabrawa@hotmail.com

I am a fashion-lover and traveler at heart. Exploring the world, promoting emerging talent and showing you products that I use to beautify myself is what I enjoy sharing.