Die AFA-Jury

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Die AFA-Jury

Natürlich werden auch heuer die Austrian Fashion Awards nicht per Zufallsprinzip oder Losverfahren vergeben. Ganz im Gegenteil!

Eine hochkarätige Jury aus Fachleuten schaut sich die Kollektionen der in Frage kommenden Designer und Labels gaaaanz genau an und debattiert anschließend ziemlich heiß und ausdauernd darüber, wer mit dem outstanding artist award für experimentelles Modedesign des Bundeskanzleramts und dem Modepreis der Stadt Wien ausgezeichnet wird.

 

Wir stellen euch die diesjährigen Jury-Mitglieder vor und haben bei Dr. Silke Geppert nachgefragt, was 2019 so los war bei der Jurysitzung, worauf sie besonders achtet und wie sie die Zukunft der Mode sieht.

 

Silke Geppert

AFAJury_Silke Geppert

© Amr Okba

Dr. Silke Geppert arbeitet als Kuratorin für Mode und Kustodin für Textil und Teppiche am Wiener Museum für angewandte Kunst. Außerdem ist sie Dozentin für Modegeschichte und Modetheorie an der Universität Mozarteum Salzburg. Sie forscht und publiziert zu den Themen Mode und Bühnenkostüm, Mode und Film, Mode und Religion, zur burgundischen Mode, zur Textilgeschichte und zur zeitgenössischen Kunst und Mode.

 

 

 

 

 

 

Außer Ihnen weiß noch fast niemand, wer bei der Verleihung der AFA-Austrian Fashion Awards ausgezeichnet wird. Verraten Sie uns trotzdem schon, was bei der Jury-Entscheidung ausschlaggebend war?

Nachdem die TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Kontexten kommen, hat jeder und jede spezifische Argumente für seine oder ihre Wahl. Es ging für uns alle darum, das Warum? der eigenen Entscheidung zu argumentieren. Und da fließt die intensivste Vorbereitung wie z. B. die Sichtung der Lookbooks der letzten Jahre, der Internetauftritt, Shows, und die Vita der DesignerInnen mit hinein. All das wird dann diskutiert.

 

War sich die vierköpfige Jury schnell einig oder gab es lange Diskussionen?

Sowohl als auch :-)! Obwohl sich die Jury bei einer Wertung unisono einig war, ging es darum, die Entscheidung schlüssig zu begründen, Kriterien der Qualität des Labels zu benennen. Heiß diskutiert wurde auf jeden Fall!

 

Welche Kriterien sind Ihnen bei der Beurteilung von zeitgenössischem Modedesign persönlich am wichtigsten?

Meine spontane Antwort ist immer zuerst meine Intuition. Eine Kollektion muss mir unmittelbar ins Herz treffen, muss mich mit etwas berühren. Sei es die durch den Schnitt gestaltete Silhouette, das Material und seine Oberfläche, die Qualität der Verarbeitung  oder auch handwerkliche Elemente.
Erst in zweiter Linie schalte ich den Kopf dazu und meistens werden dann auch im Design Details sichtbar, die meine Intuition mit Argumenten unterstützen. Mode soll im besten Fall Ausdruck unserer Zeit sein und auch mit Konzepten zukunftsweisend sein können, emotionale Werte spielen auch eine Rolle.

 

Sie unterrichten u. a. an der Universität Mozarteum Salzburg Modegeschichte. Wie wichtig ist es für junge Designer, sich mit der Vergangenheit der Mode oder historischer Mode auseinanderzusetzen? Weshalb?

Kreativität basiert in der Mode auf mehreren Fundamenten. Dazu gehört das Beherrschen des Schneiderhandwerks, wobei Handwerk als fundamentaler menschlicher kreativer Impuls weit mehr als nur die manuelle Praxis. Und dazu gehört Wissen und Neugier über historische Entwicklungen ebenso, wie über die Geschichte der Mode, Accessoires, Textilien  und des menschlichen Habitus und und und…
Es gibt in Europa und Nordamerika jährlich ca. 35.000 Absolventen aus Modeakademien mit großen Hoffnungen auf eine Karriere als Stardesigner. In der Realität schaffen es nur sehr wenige an die Spitze eines Unternehmens oder werden ein “Couturier Superstar”. Neben einer guten beruflichen Kondition ist das Wissen ein wichtiger Faktor, um zu einer persönlichen Handschrift zu gelangen. Andreas Kronthaler, den ich vergangene Woche in Salzburg traf, hat davon berichtet, wie groß die Sammlung historischer Textilien bei Vivienne Westwood ist. Dior und Dolce & Gabbana zitierten jüngst den Justaucorps des Rokoko oder die byzantischen Staatsroben des  frühen Mittelalters.
Wir haben derzeit eine große Eintönigkeit in der Kleidung und dazu einen großen Qualitätsverlust auch bei großen Marken, die vor allem ihr “Label” verkaufen. Kleidung kann aber auch eine wichtige Membran sein, die uns in schwierigen Zeiten schützen kann und dies seit Menschheitsgedenken tut. Wir kleiden uns aber auch modisch, um eine Rolle zu spielen – lustvolles Spiel, Schutz … es gibt so unendlich viele Inspirationen für Mode, da könnte ich wohl noch Stunden weitererzählen!

 

Durch Ihre Arbeit am MAK und ihre Forschungsarbeit ist anzunehmen, dass Sie Mode-technisch schon so ziemlich alles gesehen haben. Und Modetrends wiederholen sich in immer kürzeren Abständen. Wird es Ihnen da nie langweilig? Warum?

Ich liebe die Mode und das Textil, ihr gilt meine persönliche Leidenschaft und meine berufliche Hingabe und ich muss Sie enttäuschen – nein – mir wird nie langweilig! Vor allem in meiner Sammlung im MAK sehe ich täglich so viel an historischer Raffinesse in der Mode, im Accessoire und im Textil.
Ein großes Anliegen ist mir daher Vermitteln des Wissens in meinen Vorlesungen zur Modegeschichte und ebenso das Forschen im Museum. Meine zukünftigen Projekte werden die Zusammenarbeit mit DesignerInnen und Studierenden vor den Originalen im MAK sein.
Ja – Modetrends wiederholen sich, das stimmt. Wir leben derzeit in einer rasenden Zeit, die Verfallszeit von Dingen und auch Beziehungen wird permanent beschleunigt. Gleichzeitig haben wir das Gefühl von gesellschaftlicher Erstarrung und globaler Einheitsmode. Wir handeln wie getrieben, reagieren nur noch, statt zu agieren. Für die Mode gilt das besonders. Gleichzeitig sehe ich die Mode als soziales Phänomen, dem utopische Vision innewohnen kann, auch wenn sie derzeit keine wirkliche Avantgardedisziplin mehr ist. Die Kompetenz des “Neuen” liegt in den digitalen Industrien. Dennoch entstehen gerade in der Verknüpfung von Technologie und Handwerk phantastische Konzepte für nachhaltige Innovationen in der Mode.
Überrascht hat mich in der letzten Zeit vor allem die Entfesselung der maskulinen Kleidercodes, hier ist viel Kreativpotential vorhanden.

Welche Zukunft sehen Sie für die Mode und junge Modedesigner in den nächsten Jahren?

Auch wenn Mode heute scheinbar für alle zugänglich ist, werden neue Ideen vor allem von kleine Labels entwickelt werden und uns auch von den globalen Einheitsuniformen, die wir derzeit weltweit erleben, befreien.  Wenn wir heute glauben, dass Kreativität nur in meist kurzlebigen “Start Up”-Formaten geschieht, so glaube ich doch daran, dass wir in der Mode mit Geduld, handwerklicher Qualität und unkonventionellen Kooperationen mit anderen Disziplinen Erfolge sehen werden, die auch ein neues Menschenbild repräsentieren, das sich an emotionalen Werten orientiert und nachhaltig  konsumiert. Einerseits werden wir uns wieder an einem “animismo” der Kleidung erfreuen, in dem die Ästhetik unserer Lebens- und Gebrauchsspuren individuell eingeschrieben ist. Andererseits werden wir unser Konsumverhalten ändern müssen, beides hängt unmittelbar zusammen. Da wir Menschen sind, die über Kleidung kommunizieren, werden wir diese Entwicklung durchaus lustvoll erleben.

 

 

Yoshimitsu Kosai

AFAJury_Yoshimitsu Kosai

Yoshimitsu Kosai ist Gründer und Inhaber von DOSHABURI, einem japanischen Multi-Brand-Store für zeitgenössisches Modedesign in Barcelona. Fünf Jahre nach der Gründung im Jahr 2004, wurde mit DOSHABURI DOSHABURI eine zweite Filiale eröffnet.

 

 

 

 

 

 

Song Pham 

AFAJury_Song Pham

Song ist Inhaberin der 2013 gegründeten Agentur 10 Lines Consulting und arbeitet als Retail- and Buying-Consultant in Paris. Ihr Ziel ist es, mutige Konzepte und unkonventionelle ästhetische Ansätze innerhalb der Modebranche umzusetzen. In ihrer Einkaufsstrategie arbeitet sie eng mit etablierten Kaufhäusern, E-Tailern und Concept Stores zusammen und entwickelt in Partnerschaft mit Schlüsselfiguren der Modeindustrie eine breite Palette an globalen Dienstleistungen.

 

 

 

 

 

 

Isabelle Steger 

 

Isabelle Steger ist Absolventin der Universität für angewandte Kunst in Wien, wo sie bei Raf Simons und Veronique Branquinho studierte. Sie war Finalistin beim renommierten Festival International de Mode, de Photographie et d’Accessoires de Mode in Hyères und bei den Mango Fashion Awards . Isabelle arbeitete für große Modehäuser wie Maison Martin Margiela, Balenciaga, Jil Sander und JW Anderson und berät derzeit als Creative Consultant eine Reihe internationale Unternehmen.

 

Der WIEN PRODUCTS Accessories Award wird durch eine interne Jury von WIEN PRODUCTS vergeben.

 

Stephanie Rugel
strug@gmx.de