Ich will den Raum mit meiner Kamera nicht entblößen, sondern hinterfragen

Interview mit Mario Kiesenhofer
Mario Kiesenhofer

Ich will den Raum mit meiner Kamera nicht entblößen, sondern hinterfragen

Ich treffe mich mit Mario Kiesenhofer in seinem temporären Atelier und bekomme gleich einen tiefen Einblick in die Arbeits- und Denkweise des Künstlers. Mario Kiesenhofer ist ein kreativer Grenzgänger zwischen Kunst und Mode, der passioniert über seine Arbeit spricht und jeder Frage Antwort steht.

Wieso arbeitest du mit Fotografie und wann hast du angefangen, dich dafür zu interessieren?

Als ich begonnen habe Kunst zu machen, war es klar, dass ich auch etwas mit Fotografie machen will. Ich fand die Idee, ein Bild mit einer Apparatur zu generieren, immer schon faszinierend. Der Weg vom Auslösen der Kamera bis zum fertigen Werk, mit all den Produktionsschritten dazwischen, lässt mir viel Raum und Zeit meine künstlerischen Intentionen zu präzisieren.

Hast du ein persönliches Ziel, das du im Laufe deiner Karriere erreichen möchtest?

(lacht) Also wenn das New Yorker MoMa (Museum of Modern Art) anklopft, sage ich natürlich nicht nein! Ich mache einfach Dinge, die ich machen will und wenn es funktioniert, dann funktioniert’s! Da ich in unterschiedlichen Bereichen tätig bin, stecke ich mir auch unterschiedliche Ziele.

Könntest du eine Botschaft ausmachen, die du durch deine Arbeiten ausdrücken möchtest?

Als Künstler transportiere ich immer eine Botschaft. Sobald ich eine Arbeit öffentlich präsentiere ist das unvermeidbar. Das schöne ist, dass ich bestimmen kann wie viel von meiner Botschaft bei den RezipientInnen ankommt. Ich kann bestimmen, was ich zeige und was ich nicht zeige, wie viel Information ich durch den Titel der Arbeit kommuniziere und welche Informationen ich lieber vorenthalte. Als Künstler kann ich mir diese Freiheiten nehmen und das finde ich auch gut so.

Gibt es Künstler, die dich inspirieren oder die dich in deiner Arbeitsweise beeinflussen?

Ich interessiere mich für Kontextkunst, die sich in den 90er-Jahren entwickelt hat. In meinen Arbeiten hinterfrage ich auch Kunstströmungen wie Minimal Art und Konzeptkunst. Ich kombiniere diese Strategien mit romantischen Ansätzen und dabei entsteht eine Art romantischer Konzeptualismus. Arbeiten von Felix Gonzáles-Torres zum Beispiel haben mich in meinem Denken über Kunst stark beeinflusst. Auch Tom Burr’s Skulpturen und Objekte schätze ich sehr. Weiters wäre auch Peter Hujar zu nennen, dessen Fotografien ich schon direkt in meiner eigenen Arbeit zitiert habe. Es ist ein Mix aus Kunsttheorie, Alltagskultur und Urbanistik, der mir als Inspiration dient.

Worauf können wir uns beim Take Festival freuen?

Eine meiner früheren Serien trägt den Namen OUTDOOR, dafür habe ich „Gay Cruising Areas“ und Landschaften fotografiert. Die Serie, an der ich aktuell arbeite und die ich auch beim Festival ausstellen werde, heißt INDOOR. Für diesen künstlerischen Schaffensprozess reise ich zurzeit um die ganze Welt und besuche Gay Saunen, Gay-Bars und Clubs. Dabei handelt es sich um intime Institutionen mit sehr beschränktem Zugang. Es gibt meist eine strikte „Gay Men only“-Policy an der Tür und häufig kommen Zugangsbeschränkungen wie Fetisch Dress Codes und die Erfüllung bestimmter Körpernormen oder Altersklassen hinzu. Vor Ort fotografiere ich dann die Innenarchitektur dieser Institutionen. Dunkelheit spielt in diesen Räumlichkeiten oft eine zentrale Rolle. Viele Hüllen aus dem Alltag – wie etwa Kleidung – fallen teilweise weg. Mich interessiert, wie in dieser Architektur ein so intimer Raum entsteht. Ich habe lange überlegt, wie und ob ich so diskrete Räume ausstellen soll. Wie schütze ich diesen Raum, wenn ich ihn zeige? Ich will den Raum mit meiner Kamera ja nicht entblößen, sondern hinterfragen. Das in meiner Arbeit intendierte “nicht zeigen” von männlichen Akteuren und Benutzern der abgebildeten Räume, hinterlässt eine Leerstelle und überlässt den BetrachterInnen den Bildraum als Projektionsfläche.

Es ist wohl am besten, einfach bei der Ausstellung im Rahmen des Take Festivals vorbeizukommen und sich selbst ein Bild zu machen.

Warum handeln deine Arbeiten von Themen wie Outdoor und Indoor?

In meinen künstlerischen Arbeiten erforsche ich das Zusammenspiel von Sexualität, Landschaft, Architektur, Privatsphäre und Öffentlichkeit. Mich interessiert dabei vor allem das politische Konzept von Sex im öffentlichen Raum. Da waren die 60er und 70er-Jahre ausschlaggebend. Etwa die „Stonewall riots“ in New York 1969 – plötzlich wurde draußen auf der Straße für queeren Sex gekämpft und an Verboten gerüttelt. Nach meiner Serie OUTDOOR habe ich viel darüber nachgedacht, warum dieses Phänomen so schnell wieder in den Innenraum gewandert ist und was diese Institutionalisierung von öffentlichem Sex heute bedeutet. Während der Produktion meiner neuen Serie habe ich gemerkt, dass es durchaus räumliche Analogien gibt, die das landschaftliche Konzept von Outdoor Cruising aufgreifen.

Die Arbeiten der Serie Outdoor könnt ihr euch auf Website von Mario ansehen und für INDOOR kommt einfach am Take-Festival vorbei 😉 jetzt dauert es ja nicht mehr lange!

eure Miriam

Miriam Rocek
M.Rocek@gmx.at