Interview mit Lena Kvadrat von art point

Lena Kvadrat

Interview mit Lena Kvadrat von art point

Lena Kvadrat hat ihren Laufbahn als Designerin vor 18 Jahren in Moskau begonnen, als sie das Label art point gegründet, eine eigene Produktion gestartet und ein Geschäft eröffnet hat. 2001 ist die russische Modemacherin nach Wien gezogen und seitdem betreibt sie ihr erfolgreiches Label im hippen 7. Bezirk. Wir wollten mehr über Lena und ihre Projekte erfahren und baten sie zum Interview!

Alexandra: Lena, was hat dich dazu bewegt, in Wien dein eigenes Modelabel zu starten und wie sah dieser Weg ganz am Anfang aus?

Lena: 2001 wurde der erste art point Shop in Wien eröffnet; familiäre Umstände haben diesen Schritt ermöglicht. Zu dieser Zeit war es gut, noch kein Deutsch zu sprechen und nicht ständig die verwunderte Frage zu hören: Wien? Mode? Die Frage war für mich nicht «Ein Geschäft in Wien oder nicht?», sondern wie du das am effektivsten tun kannst, wenn du schon hier bist. Als wir vor 16 Jahren unseren Shop eröffneten, war art point im siebten Bezirk noch einer der wenigen Pioniere. Wir zeigten, dass man hier und jetzt beginnen kann – und erst dann Paris und Peking.

Alexandra: Dein Label “art point” und das Take Festival beziehen sich beide auf die Liaison von Mode und Kunst. Wie ist heutzutage deiner Meinung nach diese Verbindung zu verstehen?

Lena: Kleidung und Mode sind unsere tägliche kulturelle Praxis. Ebenso wie die Kunst stellt Mode gewohnte Codes und Klischees der Alltagswahrnehmung in Frage. Die “Realität” unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten und eine neue Realität zu konstruieren, sie zu interpretieren und zu modifizieren – das ist es, was heute Mode und Kunst verbindet.

Alexandra: Könntest du uns ein paar Details über deine zukünftigen Projekte am Take Festival verraten?

Lena: Im Rahmen des Festivals werden zwei Projekte vorgestellt: “Vienna Fashion Museum” und “re:validation. Black & white post-ethnographic notes“.

Ich habe in den letzten Jahren viel darüber nachgedacht, was mir als Modedesignerin in dieser Stadt fehlt, und habe dazu einen Essay geschrieben, der drei grundlegende Aspekte behandelt: Ausstellungen der zeitgenössischen lokalen Modeszene in Museen, internationale Modeausstellungen sowie ein potenzielles eigenes Modemuseum in Wien. Ausgehend von diesen Überlegungen haben wir im Frühjahr 2015 eine intensive Recherche durchgeführt, bei der wir in über 40 Treffen mit KuratorInnen von Museen und MitarbeiterInnen öffentlicher Einrichtungen versuchten uns ein Bild davon zu verschaffen, wie verschiedene städtische Institutionen und deren Vertreter zu den genannten Fragen stehen. Nach dieser Phase wurde die Internet-Seite “viennafashionmuseum.com” eingerichtet, auf der die ersten Schritte dokumentiert sind und die in nächster Zukunft einerseits als Plattform für modetheoretische Diskurse dienen soll sowie andererseits als digitales Archiv für die vielfältigen Praktiken nicht nur von DesignerInnen, sondern auch der TrägerInnen von Mode.

 

Lena Kvadrat

Photo: Wolfgang Weitlaner

 

Was das erste Projekt (#VFM) betrifft, so wollen wir im Rahmen der virtuellen Grundsteinlegung für das Museum die Aufmerksamkeit gezielt auf die alltägliche Kleidungspraxis der EndkonsumentInnen fokussieren. Wir schlagen vor, ein Kleidungsstück anzuziehen oder mitzubringen, das seine/n BesitzerIn noch mindestens zehn Jahre begleiten wird. An diesen Gegenstand wird eine fortlaufende Inventarnummer angenäht, und er wird katalogisiert, danach bleibt er aber weiterhin zur Verwendung im Besitz der jeweiligen Person. Unser Ziel besteht in erster Linie darin, der individuellen Kollektion der KonsumentInnen Respekt zu zollen, ihr einen Wert zu geben bzw. ihn zu erhöhen. Wir alle bespielen jeden Tag die Bühne dieser Stadt, die durch unsere Anwesenheit zu einem lebenden Modemuseum wird. Im Rahmen der Aktion wird es für Designer und Konsumenten auch die Möglichkeit geben, einen beliebigen Kleidungsgegenstand oder ein Accessoire im Live-Siebdruckverfahren mit dem Schriftzug VIENNA FASHION MUSEUM versehen zu lassen. Darüber hinaus werden wir Interviews über die persönliche Erfahrung mit Mode führen, über das kollektive Gedächtnis sowie die Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen eines Modemuseum: virtuellen und realen.

 

Lena Kvadrat

art point, © Vipin Mayer, Model: Zuzana Chuda

 

Im zweiten Projekt (art point) geht es um das Bedürfnis des Menschen, irgendeiner bestimmten Gruppe anzugehören und sich zugleich von anderen zu unterscheiden, was beides durch die Form der Kleidung und die Zeichen auf dieser zum Ausdruck kommt. Die Aneignung von Symbolen aus anderen Kulturen oder Gemeinschaften dient dabei oft der Wertsteigerung – ein Phänomen, das wir nicht nur in der Mode, sondern auch in der Kunst beobachten. Es werden Kleidungstücke von art point gemeinsam mit weiß übermalten Accessoires präsentiert; thematisiert wird damit die “Re-Validierung” von Massenprodukten durch appropriationistische Verfahren – sei es durch einen einzelnen “Künstler” oder durch die Modeindustrie als Ganzes. Auch im Rahmen dieses Projektes, das in Form einer post-ethnographischen Abteilung des Fashion Museums präsentiert wird, sind die BesucherInnen eingeladen, eigene Gegenstände zur Verfügung zu stellen: für die Übermalung von Accessoires oder das Stopfen von Kleidungsstücken mit weißem Garn. Wir werfen einen Blick aus der Zukunft auf die heutigen Praktiken der urbanen Kultur im Gesamten sowie der Subkulturen im Besonderen.

Alexandra: Was waren deine Inspirationsquellen für diese Projekte?

Lena: Die städtische Kultur und ihre Gesetze sind für mich eine permanente Quelle der Inspiration, ebenso die Mode in ihrer Dualität: alt/neu, männlich/weiblich, hoch/tief, faltig/glatt etc. Die Möglichkeit inspiriert und fasziniert sein, ist an sich schon eine Quelle. Einerseits anonym sein zu können und zugleich an der Kultur einer Stadt konkret mitzuwirken, empfinde ich als große Bereicherung.

Alexandra: Was gefällt dir am besten an der Wiener Modeszene?

Dass es sie gibt und dass sie vielfältig ist.

Lena: Wenn du eine Person wählen könntest, mir der du gemeinsam an einem zukünftigen Projekt arbeiten könntest, wer wäre das dann?

Träume sind nicht meine Stärke – und der Konjunktiv nicht meine bevorzugte Verbform.

Alexandra Vaduva
alexandra_vaduva@gmx.at

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