
02 May Mario Kiesenhofer: Filtered
Filter Bubbles und Google-Suchvorgänge bestimmen immer mehr darüber, wie wir die Welt wahrnehmen und welchen Content wir konsumieren. Mario Kiesenhofer nimmt das Thema der Ausschlussmechanismen auf und verwendet bei seinem Parcours-Projekt Selfies von Gay-Dating-App-Usern, welche er hinter geätztem Glas inszeniert. Wie bei einem digitalen Blur-Filter erscheinen die Bildmotive verschwommen, entfremdet und anonymisiert.
Im Interview erzählt Mario davon, wie er seine Filterblase zum Platzen bringt, was eine perfekte Online-Dating-Platorm ausmacht und was bei ihm als nächstes auf dem Kreativplan steht.
Corinna: Kuratierter Content ist nicht mehr wegzudenken, denn Applikationen wie Spotify und Netflix verwenden ihre Algorithmen ständig, um uns die “richtigen” Empfehlungen weiterzureichen. Obwohl das natürlich sehr einseitig erscheinen mag, schützt es uns auch vor einer enormen Informationsflut. Wie stehst du dazu?
Mario: Im Zeitalter der Algorithmen bleibt die Serendipität allzu oft auf der Strecke. Also das Prinzip einer zufälligen Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich dann aber als neue und überraschende Entdeckung erweist. Obwohl ich mich als einen sehr harmoniebedürftigen Menschen beschreiben würde, langweilt mich diese ständige Entsprechung des immer gleichen. Ein so genannter Mismatch birgt doch oftmals viel mehr Spannungspotenzial.
C: Für deine fotografische Serie “You Are Here” verwendest du Selfies von Gay-Dating-App-Usern und rahmst sie mit geätztem Glas. Was interessiert dich an dem Transfer von der digitalen in die analoge Realität und warum zeigst du diese Selbstinszenierungen verschwommen?
M: Auch wenn wir immer weiter in digitale Realitäten eintauchen, bleiben wir in der analogen Welt verhaftet. Dieser Hybridstatus interessiert mich ungemein. In meiner künstlerischen Praxis kombiniere ich diese Realitäten und mit der Serie “You Are Here” schaffe ich verschwommene Momente, die sich dem Fokus der BetrachterInnen entziehen. Wie ein digitaler Blur-Filter entfremdet und anonymisiert das geätzte Glas die Körpermotive und das virtualisierte Subjekt wird nicht nur in den Raum, sondern auch in Frage gestellt.
C: Wie stehst du zur digitalen Selbstdarstellung?
M: Sich selbst zu fotografieren hat auch immer etwas mit Selbstermächtigung zu tun. Insofern finde ich den Akt des Selfies sowohl für meine künstlerische Praxis als auch im Hinblick auf queere Sichtbarkeit spannend.
C: Wie brichst du deine persönliche Filterblase auf?
M: Indem ich mit offenen Augen durch die Welt gehe und nicht nur auf mein Smartphone-Display starre. Das bringt die eigene Filterblase schnell zum Platzen. Vor allem Orte, an denen der soziale Status einer Person nicht sofort erkennbar ist und unterschiedliche Gesellschaftsgruppen aufeinander treffen, haben einen besonderen Reiz. Die Gaysauna wäre ein Paradebeispiel für so einen Ort (lacht).
C: Auf einer perfekten Online-Dating-Platform…
M: …wird nach dem Austausch von 10 Nachrichten jede weitere Kontaktaufnahme verwehrt. Das fördert reale Kontakte.
C: Was steht als nächstes auf deinem Kreativplan?
M: Ich stehe gerade mitten in den Vorbereitungen für meine erste Einzelausstellung in einer Galerie in New York. Die Eröffnung ist Anfang April 2020.