
19 Jul “Mode und Kunst gehen oft Hand in Hand”
Selbstbestimmt leben. Neu anfangen. Regelsysteme reflektieren, umgehen und löschen. Das ist der Gedanke hinter der Kollektion “Press Reset” der Modedesignerin Flora Miranda. Bei den diesjährigen “Austrian Fashion Awards” hat sie den “Outstanding Artist Award für experimentelles Modedesign” des Bundeskanzleramts gewonnen. Im Interview verrät die Designerin mehr über ihre Kollektion, ihre Erfahrungen am Take Festival und welche Bedeutung der Award für sie hat.
Du bewegst dich mit deiner Mode abseits von Ready to Wear. Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Flora: Ich sehe meine Mode im Rahmen von Haute Couture, aber nicht im traditionellen Sinn. Es geht mir darum durch tiefe Recherche und Experiment so etwas wie ein Ideenlabor hervorzubringen.
Du hast während deines Studiums in Antwerpen schon experimentell gearbeitet. Inwiefern hat dich die spätere Zusammenarbeit mit Iris Van Herpen beeinflusst?
Flora: Ich habe mit Iris Van Herpen zusammengearbeitet, weil ich das was wir in der Schule über Modedesign gelernt haben bewusst verwerfen wollte – zur Horizonterweiterung sozusagen. Ich habe meine Auffassung was als Mode bezeichnet werden kann erweitert und meine Vorstellung von Qualität verändert und dadurch auch den Arbeitsprozess: Ich bin weiter weg von detaillierten Modeskizzen gekommen und habe stattdessen mehr mit dem echten Körper zu arbeiten begonnen. Dabei habe ich mich auch verstärkt auf Materialentwicklung konzentriert, das alles war für mich eine große Befreiung.
Mit dem echten Körper arbeiten klingt spannender als Skizzen anzufertigen.
Flora: Ja, für diese Kollektion habe ich verschiedene Textilien mit Silikon entwickelt. Das stand vor dem Design. Es geht also im Prozess mehr darum wie das Material auf die Formen des Körpers reagiert und wie es sich an den jeweiligen Körperstellen verhält.
Das heißt du legst dir Stoffe auf den Körper und siehst wie diese sich Formen lassen?
Flora: Nein, da arbeite ich eher mit einer Puppe. (lacht)
Wie du bereits erwähnt hast, hast du für diese Kollektion viel mit Silikon gearbeitet. Warum Silikon?
Flora: Damit beschäftige ich mich schon ziemlich lange. Angefangen hat der Recherche-Prozess mit dem Vorhaben ein riesiges Kleid aus Silikon zu machen. Dazu habe ich mich mit ein paar Personen ausgetauscht die sich auf Silikon spezialisieren. Ich habe dann eine Tonnen schwere Skulptur des Kleides aus Ton gebaut, dessen Form dann in Silikon abgenommen wurde. Alles war echt gut geplant, aber am Ende hat das Kleid aus Silikon in etwa 25 Kilo gewogen und ist komplett in sich zusammengefallen (lacht). Ich hab dadurch zwar ein halbes Semester verloren, konnte mir aber auch sehr viel Wissen aneignen. Aufgegeben habe ich nicht und habe mich weiter damit beschäftigt und nun ist diese Kollektion entstanden – mit dem Anspruch auf Tragbarkeit.
Die Kollektion nennst du “Press Reset”. Was möchtest du damit zum Ausdruck bringen?
Flora: Es soll dazu aufrufen selbstbestimmt zu leben und einem bewusst machen, das man sich immer wieder neu entdecken und formen kann. Es passieren so viele ungeheure Dinge auf der Welt und “Press Reset” eignet sich gut dafür, angebliche Regelsysteme zu reflektieren, zu umgehen, zu löschen und Alternativen zu formen. Ja, wir können den “Press-Reset-Button” drücken!
Auf den Kleidungsstücken befinden sich Buttons mit Botschaften wie “Delete Yourself”, “End of Matter”, “I want to go”. Steckt hinter jedem deiner Kleidungsstücke aus der Kollektion eine eigene Botschaft?
Flora: Nein, diese Aussagen sind als Ganzes zu verstehen. Sie sind wie Zahnräder oder Druckknöpfe geformt und vermitteln alle die Botschaft der Kollektion “Press Reset”.
Du hast diese Kollektion bereits auf der Fashion Week in Vancouver gezeigt. Hast du als Designerin international bessere Chancen als hier in Wien?
Flora: Ja, die Szene ist zum Beispiel in Los Angeles oder London viel dichter und dort findet ein viel größerer Austausch untereinander statt. Auch in Wien passiert viel, aber hier sind offensichtlich eher Kunst, Musik und weniger die Mode präsent.
Bei den diesjährigen “Austrian Fashion Awards” hast du den “Outstanding Artist Award für experimentelles Modedesign” gewonnen. Was bedeutet das für dich und deine Karriere?
Flora: Ich freue mich, dass der Preis überhaupt existiert (lacht), also dass der Preis auch für Mode ausgeschrieben wurde. Es ist schön, dass von staatlicher Seite eine Aufmerksamkeit da ist und dass es eine Weiterentwicklung in diese Richtung auch in Österreich gibt. Das ist für uns Modeschaffende auf jeden Fall sehr wichtig.
Du warst am Take Festival mit dabei, wie war’s?
Flora: Ich finde es super, dass dort Leute aus unterschiedlichen Bereichen waren. Aus der Kunst und aus der Mode. Es ist ein guter Moment für Menschen aus den verschiedenen Feldern um sich auszutauschen.
Lässt sich Mode mit Kunst in Verbindung bringen und ab wann ist das für dich so?
Flora: Natürlich! Mode und Kunst gehen oft Hand in Hand. Zumindest hat Kunst in meinem Leben eine große Bedeutung und ich denke dann wiederum aus der Sicht der Kunst und sobald es in einer Arbeit um den Menschen geht, spielt Mode eine Rolle. Wobei da die Frage ist – ist Mode nur Kleidung oder kann man auch in der Kunst Strömungen als “Moden” bezeichnen.
Fotos: DOMEN / VAN DE VELDE
Model: Naomi van Kampen
Hair & Makeup: Mariska de Jong