“Promis sind an sich ja völlig uninteressant”

C/O Vienna

“Promis sind an sich ja völlig uninteressant”

Das Wiener Onlinemagazin C/O Vienna bietet seit 2015 den kreativen Köpfen dieser Stadt eine Bühne. Wer ganz genau hinsieht, dem wird nicht entgehen, dass sich auch einige der Take Festival – Interviews auf C/O Vienna befinden. Im Interview mit Gründerin und Chefredakteurin Antje Mayer-Salvi haben wir den Spieß umgedreht und erfahren, dass Gespräche mit Lady Gaga und einem Fledermausforscher ganz oben auf ihrer To-do-Liste stehen.

 

Sie schreiben, Sie würden immer etwas gründen, weil es nie das gäbe, was Sie sich wünschen. Was würden Sie zum heutigen Zeitpunkt gründen?

Antje Mayer-Salvi: Das C/O Vienna Magazine reicht mir erst einmal. Etwas zu gründen, ist meistens furchtbar anstrengend, weil man etwas, was noch nicht da ist, sozusagen vom Sketch weg – denken, aufbauen und auch finanzieren muss. Aber die eigentliche Denkleistung ist, überhaupt erst einmal zu erkennen, was gebraucht wird. Es macht mir aber auch Spaß, weil man mitbestimmen und selbst gestalten kann, wie etwas wird. Ich bewundere jeden, der sich das antut, und das tun viele mutige Menschen in dieser Stadt.

Was war der Anstoß für die Gründung des C/O Vienna Magazins?

Ich fand, es gibt in Österreich keine Plattform, die den Menschen, die wirklich etwas in diesem Land bewegen, also auch den Gründerinnen, Denkenden, Ideenhaberinnen und so fort, eine Öffentlichkeit gibt. In den Medien werden entweder die üblichen B- und C-Promis gefeatured oder irgendeine Tageszeitung bringt über coole Menschen maximal einen Nachruf, wenn sie tot sind. Promis sind ja an sich völlig uninteressant, interessant sind interessante Menschen.

Wann haben Sie das Magazin gegründet?

2015 ging es los – mit einem Jahr Vordenken in 2014 –, unterstützt durch eine Förderung der Wirtschaftsagentur Wien und mit der Kraft meines an das Projekt glaubende Team, bestehend aus tollen Autorinnen, Fotografinnen, Grafikern, Programmierern, Übersetzerinnen und der Textchefin Lisa Peres, ohne die bei C/O Vienna nichts läuft. Es war schon auch wichtig, dass meine Freundinnen und Kolleginnen so solidarisch waren, besonders die Frauen in dieser Stadt. Mit einem Magazin lehnt man sich ja immer weit aus dem Fenster.

Antje Mayer-Salvi & Lisa Peres Antje Mayer-Salvi & Lisa Peres © Nadine Cordial Settele

Sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen dem C/O Vienna Magazin und dem Take Festival? Was hat Sie zur Kooperation bewogen?

Ich mag das Take Festival, weil es sich ehrlich – charmant lässig – bemüht, diesen ganzen Modezirkus von einer anderen Seite zu beleuchten und hartnäckige Rituale dieses Konsumgenres ad acta zu legen. Das Take gibt nicht nur den Leuten eine Bühne, die ohnehin international reüssieren, sondern lässt auch Experimente zu, schafft Raum, Entdeckungen zu machen, lädt zur kritischen Diskussion über Mode ein. Wir als Interviewmagazin versuchen das ja auch, vielleicht nicht immer über extrem freche Interviewfragen, die ja meistens nur dazu dienen, das Gegenüber vorzuführen, sondern eher durch die unerwartete Auswahl der Interviewten. Wir haben einen großen Schwerpunkt auf den Themen wie Kunst, Kultur, Architektur, Mode und Design, aber ich möchte in Zukunft unbedingt noch mehr kluge Menschen anderer Disziplinen bei uns im Magazin vorstellen: Was mich furchtbar interessieren würde, wäre etwa eine Astronomin oder Astronomen zu interviewen, auf unserer Liste steht auch ein Fledermausforscher.

Was würden Sie sich in einem Interview selbst fragen?

Ich würde mich fragen: Was treibt Sie? Auf was kommt es im Leben an?

Und auf was kommt es im Leben an?

Auf das Glück, das für mich aus der Lust des momentanen –letztlich ziellosen– Tun besteht. Auf das Jetzt. Das ist für mich das neugierige oder laszive Flanieren durch eine Stadt, das ist das exzessive Backen und Essen von verführerischen Süßigkeiten, das ja nichts mit Sattwerden zu tun hat. Mit meinen Kindern in der Badewanne zu sitzen, bis die Füße schrumpelig werden oder mit meinem Mann zu tanzen. Man kann das endlos weiterführen. Und ja, auch ein Interview mit einem interessanten Gegenüber zu führen, kann mich in diesen Zustand versetzen, wo man Zeit und Raum vergisst und nur der Augenblick ist.

Antje Mayer-Salvi & Lisa Peres
Antje Mayer-Salvi & Lisa Peres © Nadine Cordial Settele

Wenn Sie nur noch ein österreichisches oder internationales Medium, abgesehen von Ihrem,  lesen/sehen/hören könnten, welches wäre das und warum?

Ich habe gefühlt sicher schon alle deutschsprachigen analogen Magazine irgendwann wenigstes einmal gekauft. Ich lese extrem viel analog, aber ich gebe zu, ich switche im Internet ziellos durch die Plattformen. Wenn ich am Bahnhof oder am Flughafen Reiselektüre erstehen will, stehe ich ratlos im Geschäft. “Die Zeit” bemüht sich schrecklich, originell und klug zu sein, leider müsste ich, um sie zu lesen, schon auf Grund des Formats, immer erste Klasse fliegen. “Der Spiegel” schafft es einfach nicht, mir trotz eines Rechercheurinnen-Aufgebots in der Größe einer Fußballmannschaft pro Artikel irgendetwas zu präsentieren, was ich nicht schon woanders gelesen hätte. Bei mir wird es dann immer “Asterix und Obelix”.

Welche Persönlichkeit möchten Sie unbedingt einmal porträtieren und warum?

Meine Interessen wechseln ständig. Ich sehe ein Video von Lady Gaga und denke mir, mit der würde ich gerne mal über Freud reden und google dann tatsächlich, ob sie demnächst ein Konzert in Wien spielt. Warum sollte sie uns kein Interview geben? Dann schneide ich mir einen Artikel über Gehirnforschung in “Der Standard” aus und kaufe mir ein Buch über das Thema, damit ich bei dem Interview nicht allzu blöd dastehe. Manchmal bleibe ich hartnäckig dran, manchmal ist es dann gerade doch nicht mehr so interessant, wie es mir in meiner ersten Begeisterung schien. Ich will damit nur sagen, idealerweise schneit das Leben dir die Persönlichkeiten von selbst auf die Interviewliste. Sei offen, dann kommen die Geschichten von selbst zu dir.

Mit dem C/O Vienna Magazin und dem Redaktionsbüro OST haben Sie es sich zur Aufgabe gemacht,  die Geschichten anderer zu erzählen. Welche Geschichte aus Ihrem Leben wären Sie bereit mit unseren Lesern zu teilen?

Es gäbe tatsächlich einiges zu erzählen. Mit 18 Jahren stand ich das erste Mal in meinem Leben als Jungreporterin der Schülerzeitung “Steinschlag”, die ich mit Mitschülern an meinem bayrischen Gymnasium gegründet hatte, an der geöffneten Grenzen zur DDR in einem Pressezelt, neben der Washington Post, und interviewte die Menschen, die gerade vom Osten nach Bayern “rübergemacht” hatten. Selten hatte ich in meinem Leben so sehr das Gefühl, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Fleck zu sein: Geschichte live. Dann meine Journalisten – Lehrjahre in Prag und Kiew und meine Recherchereisen durch Osteuropa. Unvergessliche Zeiten nach der Wende! Aber das erzähle ich en detail einmal in einem anderen Interview.

www.co-vienna.com

 

 

 

Cornelia Knabl
cornelia.knabl@hotmail.com

journalism. culture. arts.