“Schmuckstücke ohne vorgefertigte Schubladen”

Schmuckstücke

“Schmuckstücke ohne vorgefertigte Schubladen”

Die Mode- und Kunstschule Herbststraße ist in diesem Jahr mit insgesamt drei Projekten am Take Festival vertreten. In einem davon beleuchten Studenten des Abendkollegs für Schmuckdesign und Schüler der Höheren Lehranstalt mittels fotografischer Skizzen die Beziehung von “Körper – Raum – Objekt”. Die gefeierte Schmuckdesignerin und Projektleiterin Sonja Bischur im Interview.

 

Das Projekt unter Ihrer Leitung nennt sich “Was ist Schmuck, was kann Schmuck sein, wodurch ist Schmuck, wo beginnt und wo endet Schmuck…?” Können Sie nach Abschluss des Projektes eine der Fragen beantworten, die Sie sich gestellt haben?

Sonja Bischur: Selbst in den Ergebnissen der Studenten bleiben immer noch Fragen offen, die dann der Betrachter beantworten muss. Ich stelle im Fach “Experimentelle Gestaltung” sehr unterschiedliche Aufgabenstellungen, die einen Kreativitäts- oder Ideenfindungsprozess in Gang setzen sollen und das war eine davon.  Mir ist es darum gegangen, dass die Studenten ihren Horizont erweitern und aufhören, in Kategorien wie Brosche, Ring, Kette zu denken. Sie sollten sich fragen, was Schmuck alles sein kann und einfach ausprobieren.

Zu welchen Erkenntnissen sind Ihre Studenten gekommen?

Es war ein sehr experimentelles Projekt. Es gibt einige Arbeiten, die sich direkt mit dem Körper, beispielsweise mit der Haut beschäftigen. Sie gehen von der Grundannahme aus, dass Zeichen auf unserer Haut den Träger bereits auszeichnen und schon ein Schmuckstück sein können. Diese Arbeiten fragen, inwieweit Narben, Muttermale und Spuren auf der Haut Schmuck sein können und ob man solche Zeichen hervorheben soll, um ihren schmückenden Charakter herauszustreichen.

Schmuckstücke                     TeodoraTsvetkova © Dora Kuthy

Wie kam es zu der Idee, das Thema fotografisch aufzuarbeiten?

Wir hatten zu wenig Zeit im Rahmen meines Faches, um tatsächlich fertige Schmuckstücke herzustellen. Es war auch nicht das Ziel dieses Projektes, dass Objekte entstehen. Deshalb habe ich die Studenten aufgefordert, ihre Ideen fotografisch festzuhalten, auszuprobieren und am Körper zu fotografieren.

Auch Dora Kuthys Projekt der Höheren Lehranstalt für Kunst und Gestaltung ist mit einer Fotoausstellung zum Thema “Ist der Raum die Erweiterung vom Körper oder der Körper die Erweiterung des Raumes?” am Take. Beide Projekte setzen sich mit der Beziehung zwischen Körper – Raum – Objekt auseinander. Können Sie diese Beziehung präzisieren?

Beim Schmuck geht es sehr stark um die Beziehung zwischen Körper und Objekt. Den Körperbezug haben übrigens Schmuck und Mode gemeinsam, beide werden auf den Körper zugeschnitten und am Körper getragen. Im anderen Projekt geht es um den Körper und Raumbezug. Dieses Projekt ist unabhängig von meinem Projekt in einer zweiten Klasse entstanden. Danach haben wir jedoch festgestellt, dass es Berührungspunkte gibt. Das eine Projekt ging vom Körper zum Raum, das andere vom Körper zum Objekt. Ich habe mir zum Beispiel gedacht, dass auch bei meiner Fragestellung potentiell Arbeiten hätten entstehen könnten, die den Körper in Bezug zu einem Objekt setzen.

Schmuckstücke                     HLA 5HKA Koerpererweiterung © Kristina Holl

Ihre eigenen Schmuckkreationen wurden in international renommierten Fashion-Magazinen, wie Dazed & Confused, Self Service, I-D, W-Magazine, Numero, Harpers Bazaar und Zoo, gefeiert. Wer oder was inspiriert Sie in Ihrer Arbeit?

Das ist bei mir sehr unterschiedlich und ergibt sich teilweise auch aus der Arbeit selbst. In der Zeit als ich Modeschmuck-Kollektionen gemacht habe, habe ich mich oft von der Mode inspirieren lassen oder von unterschiedlichen Materialien. Haptik ist ein wichtiger Aspekt für mich. Wie fühlt sich das an, wie fällt so eine Kette. Ich schaffe gerne Kontraste zwischen der Härte und Kälte von metallischen Materialen und der Wärme von Textilien.

Welchen Schmuck tragen Sie persönlich?

Je länger ich Schmuck mache, desto weniger häufig trage ich selbst Schmuck. Ich probiere aber alle Stücke an mir selbst und schaue, wie sich das Stück anfühlt. Ich behalte auch manchmal selbst nur den ursprünglichen Prototypen, der noch gar nicht ausgereift ist. Im Alltag trage ich meistens nur Ringe. Meine Ketten sind sehr lange und mir bei meinem Handwerk zu unpraktisch. Ich trage sie aber sehr gerne zu Anlässen.

 

Schmuckstücke© Theresa Marcourek

Sollte Schmuck auf den Laufstegen dieser Welt stärker aus dem Schatten der Mode treten?

Am Laufsteg wird ein Ereignis kreiert. Es geht um Inszenierung, um Performance. Schmuck kann da das Tüpfelchen auf dem i sein und ist es auch oft. Aber High Fashion-Schmuck ist im Alltag gar nicht mehr tragbar. Das war aber wiederum auch ein Grund für mich, dass ich mich dieser Art von Schmuck gewidmet habe. Ich habe den Schmuck auf dem Laufsteg als radikaler und freier empfunden als den künstlerischen Schmuck. Es reizt mich gerade dieses Zusammenspiel aus Mode und Schmuck am meisten.

Wie stehen Sie zu billigem Modeschmuck?

Ich finde es grundsätzlich gut, dass Schmuck so vielfältig ist. Ich unterrichte auch das Fach „Modeschmuck“ am Kolleg und habe mich im Zuge dessen mit der Geschichte des Modeschmucks beschäftigt. Davor hatte ich zu dem, was man im allgemeinen Sprachgebrauch unter Modeschmuck versteht, keine Beziehung. Ich komme aus dem künstlerischen Schmuck und da geht es um ungewöhnliche Umsetzungen. Danach habe ich an zeitgenössischem Modeschmuck mit gehobenen Designanspruch gearbeitet. Das Hauptproblem ist, dass Modeschmuck oft billig in China hergestellt wird. Ein selbstständiger Schmuckdesigner aus Österreich mit gehobenem Design- und Qualitätsanspruch, kann mit solchen Preisen nicht konkurrieren.

Titelbild: © Theresa Marcourek

 

Cornelia Knabl
cornelia.knabl@hotmail.com

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