Undercover in Zeiten der Digitalisierung

Undercover

Undercover in Zeiten der Digitalisierung

Ein junger Künstler der vorerst lieber undercover bleibt und ein anderer, der seine Arbeit fast ausschließlich an die Öffentlichkeit richtet. Bei ersterem mag es vielleicht an dem provokanten Projekttitel “Dead White Man‘s Clothes” liegen. J. spannt uns aber bis zum Take Festival mit genaueren Details zu seiner Person noch auf die Folter. Thomas Zeitlberger lässt in seiner Rauminstallation “Alaska & Paul” Alteregos für sich sprechen und kritisiert die Absurdität der digitalen Kommunikation.

 

DWMC

J. möchte seine Identität noch nicht ganz preisgeben, obwohl er sich mit seinem Projekt “DWMC – Dead White Man‘s Clothes” keinesfalls verstecken müsste. Vermutlich möchte er das Mysterium um den Projekttitel noch etwas wahren, vor allem weil er ja normalerweise fotografiert und keine Mode “macht”. Zum Projekt selbst hat er jedoch spannende Details verraten.

Was steckt hinter DWMC?

Das Projekt imitiert ein Modelabel. Ich habe einige Tage am Kantamanto Markt in Ghana verbracht und dort Kleidungsstücke eingekauft, zurück in Europa setzte ich die Teile durch ein neues Label in einen anderen Kontext. Der Name “Dead White Man‘s Clothes” kommt ursprünglich aus den 70er Jahren in denen die ersten großen Wellen der Second-Hand Waren aus der ersten Welt Ghana erreichten und die Menschen nicht glauben konnten, dass solch schöne Dinge weggeben wurden, also dachten sie es musste wohl jemand gestorben sein.

Wie kann man sich den Kantamanto Markt vorstellen?

Der Markt ist eine der größten Second-Hand Annahmestellen weltweit. Man findet die verrücktesten Sachen dort. Zum Beispiel habe Ich gespendete Teile von einer Montessori Schule aus Lettland und von einem Golfclub aus Australien gekauft. Insgesamt gibt es über 30.000 Verkäufer dort, die von dem Geschäft mit der gespendeten Second-Hand Ware leben. Eine meiner lustigsten Begegnungen war, als ich auf ein paar gelbe Skischuhe gestoßen bin und der Verkäufer keine Ahnung hatte, was er da eigentlich verkauft. Die Situation war so skurril, dass ich die Skischuhe unbedingt mitnehmen musste.

Undercover Jojo Gronostay Kantamanto Market Ghana DWMC

Bild: © J.

In deiner Konzeptbeschreibung sprichst du von einer “Sehnsucht nach dem Westen” die sehr präsent ist im modernen Afrika. Wie lässt sich dieses westliche Ideal mit der afrikanischen Tradition vereinen? Wir im Westen setzen ja in Sachen Mode mittlerweile sehr viel auf Understatement und Gender-neutrale Kleidung was ja im Widerspruch steht zu dem afrikanischen Schönheitsideal.

Das Problem dort ist schon seit langer Zeit, dass alles was westlich aussieht automatisch als zivilisiert gilt. Deswegen sind ganz viele junge Menschen sehr am westlichen Kleidungstil orientiert. Es gibt natürlich auch eine Gegenbewegung, die wieder sehr viel Wert auf afrikanische Tradition legt, auch in der jungen Kunstszene. Aber der Großteil der Menschen orientiert sich am Westen oder Nordamerika.

Kaufst du privat auch Second Hand?

Nein. Aber in meiner Arbeit geht es nicht so viel um den Second-Hand Gedanken sondern eher darum, die Kleider in einen anderen Kontext zu setzen und wie sich ihr Wert verändert wenn sie gelabelt werden. Da möchte ich aber noch nichts genaueres dazu verraten.

Hast du dann eigentlich absichtlich trashige Sachen gekauft oder gleich Kleidungsstücke ausgewählt die dir gefallen haben?

Nein absolut nicht, ich habe schon darauf geschaut, dass mir die Teile gefallen. Aber es war lustig zu sehen wie einerseits Markenkleidung krampfhaft imitiert wird und andererseits dieser “Trash” auch wahnsinnig kreativ umgesetzt wird. Es gab zum Beispiel einen Typ in all-over Louis Vuitton Print: vom Helm, Kleidung, Schuhe bis zum Motorrad.

Ist Mode für dich Kunst?

Nein ich finde da gibt es schon einen Unterschied. Es gibt auf jeden Fall Designer die ich als Künstler sehe, zum Beispiel Rei Kawakubo oder Yohji Yamamoto aber prinzipiell zählt für mich die Mode nicht zur Kunst. Für mich sagt Mode und der Kleidungsstil sehr viel über Kommunikation und die jeweilige Persönlichkeit aus, das finde ich besonders spannend daran.

Was ist deiner Meinung nach das Besondere an der österreichischen Kunstszene?

Die Kunstszene wirkt noch sehr abgeschottet, nicht so wie in Berlin oder London wo man überall das gleiche sieht. Mir kommt es manchmal so vor als befände sich Wien in einer kleinen Blase und dadurch sind die Künstler hier nicht so krass von Trends beeinflusst.

Die Kleidung und Fotos zu “DWMC” werden übrigens erst am 28.04. im Kevin Space gezeigt, dort wird dann auch die Identität des Künstlers gelüftet. Was genau am Take Festival von dem Projekt zu sehen sein wird, verrät J. auch noch nicht. Das findet man am besten vor Ort heraus!

ALASKA & PAUL

Thomas Zeitlberger präsentiert mit seinem Projekt “Alaska & Paul” eine begehbare Installation, bestehend aus einem Textildruck (Vorhang) und einer dahinter positionierten Fotoserie. Es geht ihm dabei immer ums davor und dahinter. Ums Öffentliche und ums Private. Die Foto Lovestory der Alteregos “Alaska & Paul” wirft einen kritischen Blick auf die menschliche Interaktion in Zeiten der Digitalisierung.

Siehst du deine Arbeit als Kritik an das Datingverhalten in der heutigen Zeit?

Auf jeden Fall. Meiner Meinung nach verzerrt digitale Kommunikation die Realität extrem. Der Chatverlauf in der Foto-Lovestory findet somit zwischen zwei Alteregos statt, die mehr oder weniger in Nicht-Kommunikation miteinander treten. Es hat also auf jeden Fall mit unserer Zeit zu tun und wie absurd wir uns verhalten heutzutage.

Du siehst die digitale Kommunikation also nicht als Vorteil für das moderne “Anbandeln” sondern eher als Hindernis?

Was die zwischenmenschliche Kommunikation betrifft ja. Für mich ist das ein reines Zerrbild.

Undercover Thomas Zeitlberger Alaska & Paul

Bild: © Thomas Zeitlberger

Glaubst du dass es heutzutage sowas wie Privatsphäre überhaupt noch gibt?

Ja natürlich.

Wir werden also nicht alle 24h von der NSA beobachtet?

Nein wenn man das will dann schon aber grundsätzlich denke ich kann man ohne groß auf der Hut zu sein, die Privatsphäre sehr gut wahren. Es ist halt immer wieder die Frage wie viel man preisgeben will und wie sehr man die Umwelt mitleben lässt.

Wie siehst du das mit deiner Kunst. Gestaltest du für dich selber oder schon für die Öffentlichkeit?

Meine Kunst entsteht für meine Umwelt. Ich mache auch hauptsächlich Auftragsarbeit und bin immer ganz nahe am Kunden also für den Kunden und mit dem Kunden. Und für mich selbst arbeite ich eigentlich sehr wenig. Es geht auch immer um gemeinsame Themenfindung und ich finde es spannend, wie die verschiedenen Rahmenbedingungen in die Arbeit einfließen: ein spezieller Kunde oder Räumlichkeiten …

Wie hilft dir die Digitalisierung bei deiner Arbeit?

Ich arbeite ausschließlich digital. Und ich sehe das Internet natürlich als großen Vorteil und wichtige Informationsquelle.

Undercover Thomas Zeitlberger Alaska & Paul

Bild: © Thomas Zeitlberger

Was kann deiner Meinung nach nie durch technische Erfindungen und Bots ersetzt werden?

Da sind wir wieder bei der Zwischenmenschlichkeit und beim Sozialen angelangt. Das lässt sich definitiv nicht ersetzen. Gefühle und Emotionen … Cybersex etc. an das glaube ich nicht, dass das funktioniert und den Menschen in irgendeiner Form Befriedigung bringen kann. Diese ganzen virtuellen Räume und Welten sind einfach unzureichend.

(A.d.R: Der Vorhang wird mit freundlicher Unterstützung vom Kunsthistorischen Museum produziert)

Titelbild: © Thomas Zeitlberger & J.

Kristina Königseder
kristina.koenigseder@hotmail.com

* studied international business administration in Vienna & Paris * currently doing her masters degree in arts- & cultural management * previous work experience in marketing/ PR/ event management/ editorial work * fashion/art/ photography lover