
10 Mar Wally und ihr Espresso
Künstlerin, Designerin und Theoretikerin Wally Salner entwickelt für das Take Festival ein neues Performance-Format – die Talkshow.
17:40, Café Weidinger. Ein echtes Wiener Kaffeehaus. Man tritt ein in große, offene Räume mit vielen kleinen Tischen. Einsame, Frieden suchende Kaffeetrinker zur Rechten und eine größere Herrenrunde zur Linken. Ich wähle die Herren an den Kartentischen, zwei Tische im Raucherbereich, zwei Tische sind rauchfrei. Wally Salner dürfte noch nicht hier sein, denke ich, ich bin die einzige mit Busen. Ich suche mir eine kuschlige Ecke im nicht so rauchschwangeren Bereich des Cafés und stelle mich schon auf eine gemütliche Viertelstunde des heimlichen Ohrenspitzens ein. Ich bin nämlich zu früh. Bevor der Ober kommt, will ich aber noch schnell ins Bad huschen. Als (vermeintlich) einzige Frau marschiere ich festen Schrittes in den engen Gang und ramme dabei fast eine Dame in Blue Jeans, blauem Rollkragenpulli, einer hellbraunen Lederweste darüber und einem Häubchen über langen braunen Haaren. Das war knapp, ich entschuldige mich und denk mir noch, poah fesch.
Erst um 16:00, als die SMS kam, Wally sei schon da, wusste ich um mein Fettnäpfchen. Ich hätte beinahe meine Interviewpartnerin überrannt.
Da sitzen sie nun vor mir, Wally Salner und ihr Espresso, beide nicht wegzudenken aus dieser Stadt. 1998 gründete sie mit Johannes Schweiger das multidiziplinäre Kollektiv _fabrics interseason. Neben saisonalen Kollektionen, die auf Pariser Laufstegen und weltweit in Concept Stores vertrieben wurden, fanden sie auch noch Zeit für bildende Kunst, records und sogar eine Publikation. _fabrics definierte die Schnittstelle zwischen Mode und Kunst in der österreichischen Modelandschaft neu. Nach ihrem Kunststudium fand Wally Salner ihren Weg “aus der Kunst heraus in ein kommerzielles Feld hinein zu gehen und mit künstlerischen Strategien oder mit einer künstlerischen Konzeption dieses Feld neu zu beackern. Man muss dazu sagen, dass damals, 1998 – wie das schon klingt, als wär es letztes
Jahrhundert schon, naja ok das ist es ja auch – damals gab es noch wenige konzeptionelle Positionen in der Mode, die auch das Feld der Kunst mitdachten. Ich denke, dass __fabrics interseason hier eine Pionierrolle gespielt hat.”
Dabei war das Interpetieren und Übersetzen von Codes stets im Zentrum, Codes der Kommunikation, Codes der Identitäten, Codes der Oberflächen und Codes der Materialien.
2012 beschloss Wally, die saisonale Form der Produktion nicht mehr fortzusetzen und gibt sich in ihrer künstlerischen und theoretischen Arbeit dem “Cold Reading” hin. “Also damit meine ich queere Codes in Mode, Design und Populärkultur”, erklärt sie mit ihrer sanften und nachdenklichen Stimme. “Auf diesem Weg suche ich auch nach einer alternativen, devianten oder dekonstruierenden Übersetzung einer Kollektion. Wie zeitgemäß ist eigentlich die gängige saisonale Form von Kollektion noch, wenn man sich heute die sozialen, ökonomischen, ethischen Bedingungen in der Mode anschaut, kann man sich die Frage stellen, ob die zyklische, industrielle und marktorientierte Form von Kollektionen eigentlich noch Gültigkeit hat. Die Form sollte man vielleicht ganz neu aufsetzen, reformieren. Auch in der damit verbundenen Lehre stellt sich die Frage, wie man diese Hintergründe zeitgenössischer Mode vermittelt und ob hier dadurch auch das Berufsbild ModedesignerIn einem radikalen Wandel unterworfen ist.”
Nach ihrer Professur für Mode – an der Kunstuniversität Linz in Kooperation mit der Modeschule Hetzendorf- unterrichtete Wally unter anderem an der Akademie der bildenden Künste Wien und hält derzeit eine Vorlesung an der Kunstuniversität Linz, Bildhauerklasse. Letztere trägt den Titel “Textfetzen”, welches sich mit “Textur, Sprache und Materialität oder mit der Verwebung von allen dreien” auseinandersetzt.
Eindrücke aus: cc, Wally Salner/Toni Schmale, 2013
photo credits: Julia Gaisbacher
Wally Salner positioniert sich als Verfechterin und Protagonistin eines Wandels, eines Umdenkens weg von den gängigen Konventionen in der Modebranche hin zu einem holistischen Ansatz in Kunst, Mode und Gesellschaft. Mit einem gezielten Griff packt sie das Problem am Schopf. “Geht es denn noch darum, jedes Semester eine Kollektion zu produzieren? Oder geht es auch darum, stärker die kontextuellen, ökonomischen, ethischen und politischen Bedingungen mitzureflektieren? Momentan erfährt das Handwerk eine Aufwertung. Ebenso fragen sich immer mehr Menschen, wie die Produktionsbedingungen von Mode wie z.B. in „Dritte Welt Ländern“ aussehen. Das sind alles Aspekte, die in einer Zeit der Informations- und sozialen Vernetzung neue Fragen aufwerfen. Welche Vertriebsstrukturen herrschen in der Modebranche eigentlich? Braucht es denn noch Frauen und Männer Fashion Weeks? Welche Alternativen tun sich auf? Das sind schon spannende Themen, die mich als Künstlerin, Designerin und Theoretikerin anregen und in meiner Arbeit eine Rolle spielen. Jetzt auch im Bezug auf die Konzeption des neuen Formates für das Take Festival, das ich Talkshow genannt habe.” Wally Salner hat’s drauf.
Im Rahmen des Take Festivals konzipiert sie ein neues Performance Format, die Talkshow, “welche eine Auseinandersetzung damit ist, dass eine Fashion of Speech auch eine Fashion of Showing ist.” Es sollen genau die oben genannten Fragen thematisiert werden und eine Plattform oder Bühne darbieten für Gespräche, Vernetzung, Diskussionen mit Publikum und Happening-Charakter. Dazu eingeladen werden zum Beispiel u.a. Anna Sophie Berger und Natures of Conflict. Das Talkshow Format soll Mittwoch Abend (21. April) beginnen und am Donnerstag (22. April) fortgesetzt werden.
Wir sind schon gespannt, lieben Dank Wally!