Zwei Projekte, ein Gedanke

Moritz Gottschalk

Zwei Projekte, ein Gedanke

Der Modedesigner und Performance-Künstler Moritz Gottschalk und die Künstlerin Angela Wiedermann waren bereits am letzten Take Parcours mit einer Installation und einer Performance vertreten. Für ihre Vorhaben in diesem Jahr, haben sich die Kreativen mit Fotografin Sophia Patzer und der Betreiberin des Wiener Second Hand Geschäftes “Kleider gehen um“, Heidi Schüttbacher, zusammengeschlossen und zwei in sich unterschiedliche Projekte kreiert. Beide möchten sie jedoch eines vermitteln: den Aspekt der Nachhaltigkeit. 


DADADADADADADADADADADADADADADADADADADAich hier. wo du?

In diesem Projekt verschmelzen Modedesign und Fotografie. Moritz Gottschalk und Sophia Patzer zeigen wie ähnlich ein Zugang sein kann, auch wenn das Medium ein ganz anderes ist. An zwei gegenüberliegenden Wänden werden auf der einen Seite die ausgearbeiteten, analogen Fotografien zu sehen sein. Auf der anderen Seite die fünfzig einzelnen Prototypen der Kollektion. Im Interview haben sie mehr dazu verraten.

 

Moritz_Gottschalk_Sophia_Patzer

Moritz, du hast bereits im letzten Jahr am Take Parcours teilgenommen. Heuer arbeitest du mit Sophia Patzer zusammen. Wie kam es dazu?

Moritz: Wir haben uns auf der Vernissage einer Ausstellung kennengelernt, bei der ich auch ausgestellt habe. Sophia hat dort fotografiert. Wir sind ins Gespräch gekommen und es hat eigentlich gleich gefunkt. Wir haben uns gut verstanden und uns gegenseitig über unsere Arbeiten ausgetauscht. Ich war total begeistert von ihren analogen Fotografien und habe sofort gewusst, dass ich das für mein Projekt brauche. Im Laufe der Zusammenarbeit hat sich eine Freundschaft entwickelt und man könnte sagen, wir haben ein sehr tiefes Verständnis füreinander.  

Sophia, spezialisierst du dich vorranging auf analoge Fotografie?

Sophia: Ja, ich fotografiere nur analog. Das ist einfach ein ganz anderes Gefühl. Die Arbeit und das Ergebnis sind intensiver als in der digitalen Fotografie. Für mich ist es einfach eine Art Lebensgefühl.

Warum eignet sich gerade die analoge Fotografie für dieses Projekt? 

Moritz: Eine große Rolle spielt dabei die Nachhaltigkeit und das man darauf bedacht ist, nicht alles gleich zu löschen oder wegzuschmeißen. Man muss sich bei jedem Foto genau überlegen, was man haben will und das tut sie. Also Sophia lässt sich wirklich mehr als fünf Minuten Zeit, bevor sie das Foto macht. Ich habe mal mit einer Fotografin zusammengearbeitet, die 2000 Fotos gemacht hat und es war wirklich mega anstrengend, die ganzen Fotos durchzuschauen und dann folgt auch noch das Bearbeiten. Es ist einfach das Gefühl das dabei rüberkommt und dass alles noch mechanisch funktioniert. Das Entwickeln, das Papier – einfach der ganze Prozess, der bei der digitalen Fotografie wegfällt.

Sophia: Die Bilder sind Unikate, so wie die Outfits der Kollektion.  

Machst du hauptsächlich Modefotos? 

Sophia: Nein, garnicht und ich denke das ist auch der Grund, warum Moritz mich als Fotografin gewählt hat.  

Moritz: Ja, genau. Eben weil sie nicht aus der Modefotografie kommt. Was ich bei ihren Arbeiten gesehen habe war, dass sie sich sehr für Menschen interessiert und sich gut in diese hineinversetzen kann. Die Models, die wir ausgewählt haben, sind auch spannende Charaktere.  

Wo seht ihr Parallelen in euren Arbeiten?

Moritz: Ich lasse nichts produzieren, sondern mache das Kleidungsstück vom Anfang bis zum Ende selbst. Ich weiß, wie das Kleidungsstück funktioniert, weil ich ja auch die Stoffe selbst aussuche. So wie sich Sophia das Motiv aussucht. Es geht dabei um das Sehen und Fühlen und das gibt die analoge Fotografie ja vor. Deshalb ist die Haptik und das analoge Ausarbeiten auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit.

Sophia: Ich denke es ist die Sensibilität, die wir beide auf unsere Art und Weise beim Arbeiten ausleben. Moritz beim Kleider machen und ich beim Fotografieren.

Der Subtitel eures Projektes lautet “Prothesen für die Seelen”. Was kann man sich darunter vorstellen?

Moritz: Als ich angefangen habe an der Kollektion zu arbeiten, ging es um den Dadaismus. Es ging für mich sehr um diese zerüttelte Zeit, den Krieg und die Nachkriegszeit. In dieser Zeit wurden Seelen und Körper angegriffen und verletzt. Verletzte haben Prothesen für Arme und Beine bekommen, die Seele ist aber oft auf der Strecke geblieben. Heute Leben wir in einer Konsumgesellschaft und nutzen das Kaufen oft, um zu Vergessen oder sich zu belohnen. Eben für die Seele. Durch Meine Kleidung kann aufgrund der speziellen Formen auch eine Erweiterung oder Ergänzung des Körpers darstellen. Deshalb der Ausdruck “Prothese”.

Was wollt ihr den Besuchern mit dem Projekt vermitteln? 

Moritz: Auf jeden Fall den Aspekt der Nachhaltigkeit. Man kann Ressourcen sparen, auch wenn man opulent arbeitet. Ich habe darauf geachtet, dass die Materialien hochwertig sind und wenn man sich selbst dazu entscheidet, etwas Teures zu kaufen, dann kauft man es im Endeffekt billig, weil man viel länger etwas davon hat.

Wo würdet ihr im Moment am liebsten die Seele baumeln lassen?

Sophia: Ostsee!

Moritz: Um an meinem neuen Projekt zu arbeiten, hätte ich gerne eine Blase, in der ich verschwinden kann. Da könnte ich bestimmt meine Seele baumeln lassen.

                                    

                                    

Fotos: © Sophia Patzer


PLEASE HELP! KLEIDER GEHEN UM.

Das Projekt “PLEASE HELP! KLEIDER GEHEN UM.”, von Angela Wiedermann und Heidi Schüttbacher, besteht aus einem performativen Talk zum Thema Wertschätzung und nachhaltige Praxen im Umgang mit Mode, sowie einer Intervention auf dem Parcours Areal. Ein aufschlussreiches Gespräch.

Ihr veranstaltet am diesjährigen Take Festival einen performativen Talk zum Thema Wertschätzung und nachhaltige Praxen im Umgang mit Mode. Was kann man sich erwarten? 

Angela: Wir haben einen Raum zur Verfügung, in dem wir ein gemeinsames Gespräch mit den Besuchern suchen. Wir möchten mit den Leuten gerne darüber sprechen, wie sie über das Thema Second Hand Mode denken.

Heidi: Genau. Gespräche über Mode, Second Hand, Vintage und was Vintage bedeutet. Für mich persönlich ist etwas Vintage, wenn das Stück mindestens zwanzig Jahre alt ist.

Woher kommt dein Interesse für Vintage Kleidung? 

Heidi: Ich habe viel auf Flohmärkten eingekauft. Oft habe ich Sachen entdeckt, die qualitativ wirklich hochwertig waren, mir leider aber nicht passten. Daraufhin habe ich begonnen auch für meine Freundinnen einzukaufen und daheim auch Fashion Partys veranstaltet. Es folgten Pop Ups an verschiedenen Orten und daraus ist auch der Name “Kleider gehen um” für meinen Shop entstanden. Ich habe mir mittlerweile ein Netzwerk aus Leuten aufgebaut, die mir immer wieder tolle Sachen vorbeibringen und verkaufen.

Das Projekt betitelt ihr mit “PLEASE HELP! KLEIDER GEHEN UM.”. Könnt ihr mehr dazu verraten?

Angela: Ich bin Künstlerin und war früher selbst in der Mode tätig. Mich hat es immer total gestört, dass gerade im High-end-Sektor das Thema Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen nicht wirklich thematisiert werden. Es kam auch schon vor, dass Mitarbeiter aus Kleidungsfabriken Hilferufe in Kleidungsstücke eingenäht haben. Ich habe nun selbst dreißig Sujets erstellt. Auf denen steht zum Beispiel “PLEASE HELP! Kein Kaschmir Pullover unter 40 Euro!” oder “PLEASE HELP! Ich bin in einer Situation, in der ich meine Mitarbeiter ausbeuten muss!”. Ich lasse ein paar tausend Stück davon drucken und möchte die Etiketten dann am Parcours verstreuen – als Wegweiser in unseren Raum. Es soll auch ein bisschen provozieren und zum Fragen anregen.

Moritz Gottschalk
© Angela Wiedermann

Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit? 

Angela: Second Hand zu kaufen ist eigentlich das Nachhaltigste, das man im Moment machen kann. Es fällt nichts mehr für die Produktion an. Heidi betreibt einen Second Hand Laden und als ich die Etiketten geschrieben habe kam mir die Idee, mit Heidi über Nachhaltigkeit zu sprechen. Beim Einkaufen von Vintage Kleidung geht man einfach bewusster vor. Es spielt auch Genuss eine Rolle. Man greift zu Stücken, die man vielleicht sonst nicht anprobieren würde und man achtet nicht nur auf die neuesten Trends.

Heidi: Das mit den Trends ist bei mir etwas anders. Ich informiere mich schon vorher, was gerade angesagt ist und wähle die Kleidung für mein Geschäft danach aus. Da weiß ich dann was “funktioniert” und was nicht.

Was ist euer persönliches Lieblings Vintage Kleidungsstück? 

Heidi: Für mich ist es ein Jumpsuit aus den 80ern. Den trage ich sehr gerne. 

Angela: Vor Kurzem habe ich mir ein Baseball Shirt gekauft. In letzter Zeit gefällt mir die Sportmode aus den 90ern ganz gut.

                                    

                                    

Fotos: © Apollonia Bitzan, Styling: Noushin Redjaian, Model: Valentina Wolf

Christoph Jelinek
cjelinek.cj@gmail.com

Journalism and New Media Student, Editor, Fashion and Culture Enthusiast